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Carl v. Damitz, "Bau und Betrieb der Eisenbahnen" von 1849
#1 Carl v. Damitz, "Bau und Betrieb der Eisenbahnen" von 1849
Ich habe dieses Buch in meinem Konvolut von PDFs wieder entdeckt (online findet man es u.a. in der Bibliothek der ETH Zürich) und bin grade ziemlich begeistert davon:
Erstens erklärt es, wie wenige andere, auf seinen knapp über 100 Seiten ziemlich vollständig, wie eine Eisenbahn funktioniert - Bau, Technik, Organisation, Betrieb, Fahrplan, Personal, und natürlich immer wieder Kosten. Ja, das ist alles auf dem Stand von 1849, also grad mal kurz nachdem die Eisenbahn in Deutschland heimisch wurde - trotzdem oder vielleicht grade deswegen ist das alles kompakt, und eine ganze Menge davon ist zumindest für die nächsten 100 Jahre gültig geblieben.
Zweitens kann Damitz einfach gut schreiben. Wenn er mit spitzer Feder, aber doch vernünftig, über diverse Marotten schreibt, muss ich einfach lachen. Ohne große Vorrede beginnt er so:
Zitat
1. Wahl des Ober-Ingenieurs.
Von der Wahl des Ober-Ingenieurs hängt das Wohl und Wehe der Actionaire, die Ehre der Gesellschaft, das Vertrauen des Publikums und die Zukunft der bei dem Unternehmen angestellten Beamten ab. Dennoch geht man nirgends oberflächlicher als hier zu Werke und die vielen traurigen Erfahrungen führen noch immer nicht zu wirklicher Belehrung. Die Recommandation eines anderen Technikers, der seiner Gesellschaft vielleicht Millionen gekostet, aber sein Renommée erhalten, weil die Bahn glücklich liegt und bei guten Zeiten Rente abwarf, die Fürsprache irgend eines vornehmen Mannes, der seinem Protégé gern auf die Beine helfen will, ja wohl gar das Wohlgefallen einer Dame - entschieden über eine Stelle, welche vor der Verantwortlichkeit der Minister gewiß die wichtigste im Staate war.
Und ... ich finde tatsächlich drittens, dass man aus diesem Buch indirekt auch was für die Modellbahn und den Modellbahnbetrieb lernen kann; als erstes schon einmal, dass man viele Probleme sehr pragmatisch lösen kann und soll.
Frage: Ich hab so die Idee, das Buch vorsichtig in die "Jetztzeit" zu holen - die Einheiten in heute verständliche umzurechnen, manche Worte durch heute gebräuchliche zu ersetzen; und dann zu kommentieren, was (mir) interessant erscheint. Mag jemand einmal ein paar Stücke davon lesen (eher nicht vom Bau, mehr vom Betrieb) und seine Meinung kundtun, ob das interessant wäre?
H.M.
Hi H.M.,
ich kann das
Zitat
Mag jemand einmal ein paar Stücke davon lesen ... und seine Meinung kundtun, ob das interessant wäre?
derzeit nicht leisten, davon später mehr.
Aber: der Sprech
Zitat
ja wohl gar das Wohlgefallen einer Dame - entschieden über eine Stelle, welche vor der Verantwortlichkeit der Minister gewiß die wichtigste im Staate war
ist ja wohl völlig aus der Zeit gefallen! Willst Du Dir das wirklich antun:
Zitat
das Buch vorsichtig in die "Jetztzeit" zu holen -... manche Worte durch heute gebräuchliche zu ersetzen; und dann zu kommentieren, was (mir) interessant erscheint.
Hättest Du beispielsweise schon eine weniger schlüpfrigere Formulierung für "das Wohlgefallen einer Dame"?
Hast Du plötzlich zu viel Zeit? 11 x
Nichts für ungut;
und ich wäre aber auch gespannt auf das Resultat,
Dein Reiner
#3 RE: Carl v. Damitz, "Bau und Betrieb der Eisenbahnen" von 1849
Zitat von Gilpin im Beitrag #2Urlaub = ich mach, was ich will
Hast Du plötzlich zu viel Zeit? 11 x
Zitat von Gilpin im Beitrag #2
Hättest Du beispielsweise schon eine weniger schlüpfrigere Formulierung für "das Wohlgefallen einer Dame"?
Den (meine Interpretation) freudschen Verschreiber (zuerst "weniger", dann aber "schlüpfrigere") lass ich Dir jetzt grad noch durchgehen ...
Zitat von Gilpin im Beitrag #2Ich mach mich mal dran, neben einigen anderen Dingen.
und ich wäre aber auch gespannt auf das Resultat.
H.M.
#5 RE: Carl v. Damitz, "Bau und Betrieb der Eisenbahnen" von 1849
Hallo Harald,
das Buch "liegt" auch schon länger in meinem elektronischen Bücherschrank, wie schon in Deiner PN-Nachfrage beantwortet, und einige Passagen sollte man heutzutage mal den Chefetagen zugänglich machen :-(
Insbesondere in der Einleitung des Betriebskapitel (S.88) ist der Halbsatz: "...während eine schlaffe, gewissenlose Verwaltung umgekehrt auch die herrlichsten Anlagen zu Schanden macht.", etwas höchst Aktuelles.
Die folgenden dreißig Seiten bieten aber, wenn man es genauer betrachtet, für die Adaptierung in den Modellbahnbetrieb wie ich finde, nicht allzuviele Möglichkeiten.
Sicherlich sind die Angaben zur Aufteilung der Trains (Anzahl/Richtung/Art) und der sich daraus entwickelnden Turni spannend zu lesen, allein hat sich in den darauffolgenden mindestens fünf Jahrzehnten, bis nach dem Wk.I in dem dann mehr Modellbauinteressierte zu finden sein werden, doch einiges an den Grundsätzen und technischen Möglichkeiten geändert. Der letzthin von mir erwähnte Wilhelm Cauer wäre da eventuell zielführender (zumindest für meine Klb im Jahre 1913).
Für mich spannend sind durchaus die schon damals herausentwickelten Hierarchien in Verwaltung (innerer Eisenbahndienst) und Betrieb (äußerer Eisenbahndienst), welche sich in dieser Form in den Grundzügen tatsächlich weit über hundert Jahre gehalten haben.
Der Bahnunterhaltungsdienst widerum, dürfte für die Darstellung im Modell eher von marginaler Bedeutung sein, denn wer wird außer max. einer Bm und wenn überhaupt ein oder zwei Bahnwärter/Posten darstellen können und wollen? Bei meiner knapp fünf Kilometer "langen" Marscheider Industriebahn wird die Bahnmeisterei eine "Ecke" am einzigen, eingleisigen, zweiständigen Lokschuppen erhalten und wegen der geringen Entfernungen zwischen den einzelnen Stationen, auf separate Bahnwärterhäuser aus Kostengründen verzichtet werden können, zumal Barrieren (Schranken) nicht vorkommen.
"Der Bahnwärter wird auch überall den Arbeiter ersparen, durch ihn werden also der Gesellschaft keine Kosten erwachsen; dagegen mache man ihm seine Existenz möglichst angenehm, baue ihm statt Bleicherhütten und Bretterbuden kleine Wohnhäuser auf und gebe ihm so viel Gehalt, daß er nicht gezwungen wird, auf Nebenerwerb zu sinnen. Eine, wenn auch kleine Gratifikation für den thätigen, umsichtigen Wärter wird aufmuntern zu erneuter Wachsamkeit und ihn, wie seine Kameraden, immer mehr und mehr anspornen."
Die Personalaufstellungen, welche ich ebenfalls als höchst interessant empfinde, zeigen eher auf den Umstand, dass der geneigte "Modellbahn-Betriebsdirector" eine erklecklich größere Anzahl an "Preiserlein" im und am Zug einzukaufen hat. Beispielhaft wären dann, gäbe es noch keine "Centralapparate", bei größeren Stationen noch die ein oder andere Weichenstellerbude.
Ebenso interessant ist auch die Beschreibung über den Rollfuhrdienst. Hier wird auch auf die gelegentlich vorkommende Haltung von eigenen Pferden und Wagen hingewiesen. Die Straße war aber nicht die einzige Verwendungsmöglichkeit für das Pferd und ich verweise mal auf meinen Heimseitenartikel "Das Perd als Rangierlokomotive".
Das Kapitel macht andererseits auch noch keinen direkten Unterschied zwischen dem später durchaus wichtigen Unterscheidungsmerkmal zwischen Betrieb und Verkehr. Wenn ich das im Gespräch mit Bahnfremden erklären soll, dann gebe ich stets den etwas schlüpfigen Hinweis zur Verdeutlichung, dass der Verkehr stets mit Geld zu tun hat.
Der Abschnitt über die Signalisierung widerum, ist auch eher etwas für Spezialisten und ich denke, dass derjenige welcher sich einer Bahn aus dieser Zeit widmen möchte, ohnedies diese Recherchen selbst ausführen möchte, um die Besonderheiten seiner Bahn passend darzustellen.
Weiter sind sicherlich auch die folgenden Beschreibung interessant, da man sie zum Teil auch auf die Moba übertragen kann, wenn man das mag.
"Während der Zug auf dem Bahnhöfe hält, nimmt der Locomotivführer Wasser und Coaks ein (wenn er des Letzteren bedarf), ölt seine Maschinentheile und sieht überhaupt Locomotive und Tender genau nach; während der Zugführer dem Jnspector die betreffenden Anzeigen macht, Papiere übergiebt oder empfängt, die nöthigen Notizen in Bezug aus Wagen und Personen, so wie auf etwaige Unregelmäßigkeiten niederschreibt und von den Schaffnern die Billette und Meldungen erhält .
Es werden Wagen ein - oder ausgeschoben, wie das Bedürfniß es erheischt, die bleibenden untersucht und geschmiert und nach Ablauf der Aufenthaltsfrist das Zeichen zum Abfahren gegeben .
Der Packmeister hat inzwischen die Gepäckstücke ausgegeben oder entgegengenommen, Briefe an Beamte expedirt, seine Reiselisten berichtigt und Alles wieder geordnet; der Postconducteur wird ebenfalls den gebotenen Aufenthalt für seine Geschäfte angemessen benutzen."
Geradezu amüsant sind sicherlich die Beschreibungen der Restaurationen und der dort womöglich aufgerufenen Preise und deren Zusammenhänge ab S. 102.
Soweit (m)eine schnelle Begutachtung und Bewertung des erwähnten Kapitels.
Nun ist meine Pause in der Heimschreibstube vorbei und ich widme mich wieder der Epoche VI oder was da gerade abgeht....
Beste Grüße aus dem Bergischen
Michael
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