BR 44

17.01.2020 17:55 (zuletzt bearbeitet: 17.01.2020 18:21)
#1 BR 44
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Hallo Forumer, zum Wiedereinstieg fallen mir zwei Anekdoten ein, die mit meiner Lieblingsbaureihe 44 zu tun haben. Hier die erste:

Das muss so Anfang der 50er Jahre gewesen sein, ich war 10 oder 11 Jahre alt, aber schon absoluter Eisenbahnfan! "Meine" Strecke war die DDR-DR KBS 530 Leipzig - Gera - Saalfeld (Saale), km 109, Bahnhof Neustadt (Orla), heute zu besichtigen in meinem Keller.

Der Bahnhof lag ziemlich am östlichen Ortsrand, wenn ich ins Stadtzentrum (oder in die Schule) musste, lief ich eine Straße an der Bahnlinie entlang; die Bahn verlief in einem Einschnitt in west-östlicher Richtung. Damals gab es in Neustadt noch eine Garnison der Roten Armee, die russische Wismut AG suchte überall in Thüringen nach Uranvorkommen. Die Russen gehörten also noch zum Straßenbild und waren absolut nicht willkommen.

An dem bewussten Tag lief ich also nachmittags die erwähnte Straße entlang; das Wetter war irgendwie unheimlich. Im Westen türmte sich eine schwarze Gewitterwand auf, im Osten (also hinter mir) war der Himmel seltsam gelb und tauchte alles in ein ganz merkwürdig fahles Licht. Ich musste auf dem Weg zur Stadtmitte die Bahn etwa am km 109,5 über einen Steg überqueren, vor dem das Einfahrsignal H stand. Ich habe es früher schon mal geschrieben: Wenn dieses Signal auf Fahrt stand, konnte ich keinen Schritt mehr weiter gehen, ich musste einfach die Einfahrt des Zuges abwarten!

Jetzt kam der Zug. Aber was war das? Eine Lok, die ich noch nie gesehen hatte (eben meine erste 44); bullig, ohne Windleitbleche; mit donnerndem Volldampf! Die Strecke in Richtung Osten hat eine leichte Steigung, Aber Volldampf? Und alle Lampen an, sogar die Triebwerksbeleuchtung, so etwas hatte ich auch noch nie gesehen, normalerweies waren die Loks in dieser Zeit tagsüber unbeleuchtet. Das Dreizylinder-Geräusch kannte ich zwar schon, die Güterzüge waren damals oft mit der BR 58/G12 unterwegs, aber in dieser Lautstärke! Als der Zug näher kam (aus dieser dunklen Gewitterwand), sah ich, dass vorne auf der Lok zwei bewaffnete Russen saßen, ich konnte ihre finsteren Mienen nur erahnen.

Ich hatte sofort den Impuls, wegzulaufen, ich bekam es mit der Angst zu tun. Aber die Vernunft sagte mir: Die Russen saßen ja auf dem fahrenden Zug, und der Zug fuhr auf seinem vorgegebenen Gleis, was sollte mir denn schon passieren? Ich blieb also und ließ mich (wie sonst auch bei Zug-Durchfahrten) vom Rauch einhüllen. Dann sah ich, was an der Lok hing: lauter Flachwagen mit schweren Panzern, auf jedem Wagen waren weitere Russen, wahrscheinlich mit Kalaschnikows, die hatten damals noch so runde Magazine, das konnte ich deutlich erkennen.

Ich sehe das Numernschild noch vor meinem geistigen Auge, diese bei der DR üblichen Spitz-Ziffern (wie hier im Forum).

Das war also meine erste 44!

Was hat das bewirkt: Der längste Zug auf meiner Anlage wird von einer 44 mit Spitz-Ziffern und ohne Windleitbleche gezogen; das Dreizylindergeräusch wird in der Steigung (mehr schlecht als recht) deutlich hörbar, leider hat die Roco-44 keine Triebwerksbeleuchtung. Und hinten dran hängen keine Russen, die mag ich nicht.

Demnächst kommt hier die zweite 44-Anekdote, das war viel später und ganz wo anders, nämlich im Hbf Darmstadt.

Mit Hp1 - Gruß - Helmut


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19.01.2020 16:07
avatar  Gilpin
#2 RE: BR 44
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Hi Helmut, schön, dass Du wieder hier bist!

Es gab eine Zeit, da war die 44 so normal, dass man sie nicht extra fotografiert hat. Neulich fiel einem Kollegen auf, dass man damals auch sehr viel weniger knipste, weil Filme und das Entwickeln durchaus kostspielig waren... Und man hatte ja auch keineswegs ständig ein Telefon in der Tasche!

Ich freue mich auf Teil 2,
Reiner


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20.01.2020 10:59 (zuletzt bearbeitet: 20.01.2020 15:05)
#3 BR 44 die zweite
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Hier kommt die zweite 44-Episode. Das war viel später, so Ende der 60er Jahre, als sich die Dampflokomotiven schon verabschiedeten. Es war auch ganz woanders, nämlich im Hauptbahnhof Darmstadt.

Ich war damals Student und hatte am Sonntag abends meine Freundin zum Zug gebracht. Nachdem sie mit ihrem Zug in Richtung Norden verschwunden war, begab ich mich selbst auf den Rückweg.

Im Darmstädter Hbf sind die Gleise und Bahnsteige in Tieflage, es gibt eine schöne Bahnsteighalle; innerhalb der Halle ist eine Zugangsbrücke mit Treppen nach unten zu den Bahnsteigen.

Als ich schon auf der Treppe Richtung nach oben war, rollte ein schwerer Güterzug mit vielen Selbstentladewagen sehr langsam und relativ leise in die Halle. Das Ausfahrsignal am Ende des Bahnsteigs zeigte Hp0, der Lokführer der 44 hatte offensichtlich die Hoffnung, dass er den Zug ohne Halt durch den Bahnhof bringen konnte.

Als die Lok etwa in der Mitte der Halle war, kam das Hp1. Ich weiß nicht, ob das überhaupt zulässig war, jedenfalls drehte der Lokführer mitten in der Halle voll auf! Der Zug muss wohl ziemlich schwer gewesen sein, die Beschleunigung war nicht besonders hoch, aber der Dampfausstoß! Und der Sound! Und dieser Geruch! Die Halle füllte sich im Nu mit diesem köstlichen Nebel, alle Leute liefen zusammen. Es war einfach ein Gedicht.

Das war (soweit ich mich erinnern kann) meine letzte Sichtung einer 44 im Normalbetrieb, jedenfalls die letzte spektakuläre. Später kamen nur noch Museumsloks.

Mit Hp1-Gruß - Helmut

EDIT: Auf G**gleEarth musste ich inzwischen feststellen, dass die erwähnte Bahnsteighalle (die mehrere Gleise überspannte) nicht mehr da ist; heute gibt es nur noch für jeden Bahnsteig ein eigenes schmales Dach. Da wäre die beschriebene 44-Galavorstellung lange nicht so effektvoll wie damals! - Gruß H.


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21.01.2020 22:30
avatar  BerndK
#4 RE: BR 44 die zweite
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Hallo Helmut,

sehr schöne Anekdote (bin ja auch Dampflokfan), man kann es so gut beschrieben richtig miterleben!

Gruß
Bernd


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21.01.2020 23:11 (zuletzt bearbeitet: 21.01.2020 23:12)
avatar  memento
#5 RE: BR 44 die zweite
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Hallo Helmut,

ich schließe mich den Vorrednern an. Zwei tolle Zug-Begegnungen müssen das gewesen sein, kein Wunder, daß Du Dich da bis heute so genau dran erinnern kannst!

LG
Thomas


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22.01.2020 10:48 (zuletzt bearbeitet: 22.01.2020 17:53)
#6 BR 41
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Hallo Forumer, hier kommt noch eine letzte Anekdote, diesmal ist es keine 44, sondern eine 41. Diese Baureihe war bis zum Schluss der Dampflokzeit in Saalfeld (Saale) stationiert und wurde dort sowohl vor Reisezügen als auch vor relativ schweren Güterzügen eingesetzt.

Das war im Jahr 1985, als bei der DB die Dampfloks längst verschwunden waren. Ich habe mich in diesem Jahr zum ersten Mal wieder in meine alte Heimat gewagt, denn vorher galt ich in der DDR als Straftäter, weil ich diesen Staat auf illegalem Weg verlassen hatte. Meine Frau und ich standen an einem regnerischen Tag auf dem Bahnsteig in Saalfeld und sahen einige Zeit dem Betrieb zu. Nichts Besonderes, kurze Reisezüge mit DDR-Dieselloks Typ Ludmilla. Dann fuhr einer dieser Züge auf dem Nachbargleis weg und gab den Blick frei auf das Bw. Davor stand ein abfahrbereiter Güterzug mit einer leise zischenden BR 41. Der stand nur da; und weil es auf dem Bahnsteig bei diesem Nieselregen ziemlich ungemütlich war, beschlossen wir schließlich, zu gehen.

Doch da tat sich was am Güterzug. Der Heizer drehte den Hilfsbläser auf, eine Qualmwolke kam aus dem Schornstein. Warum tat er das wohl? Das konnte doch nur bedeuten, dass er mehr Druck im Kessel brauchte, weil die Abfahrt gleich kommen musste! Tatsächlich, nach ein paar Minuten ging das Sperrsignal auf Sh1! Meine Frau ahnte schon, dass es jetzt länger dauern würde, wir verabredeten uns für später in der Halle.

Dann ging es tatsächlich los. Das Hauptsignal zeigte bald zwei schräge Flügel, der Lokführer antwortete mit einem kurzen Pfiff. Die Schienen waren glitschig, der Zug war wohl etwas schwer für die 41. Jedenfalls zeigte der Lokführer sein Können! Gleich beim ersten Öffnen des Reglers drehten die Räder leicht durch, aber nur ganz kurz, dann hatte die Lok wieder Haftreibung, der Zug bewegte sich schon ganz wenig. Das wiederholte sich jetzt immer wieder, ganz laangsam setzte der Zug sich in Bewegung. Aus der ersten Weiche ein längeres Durchdrehen, verbunden mit dem typischen Geräusch, das wir alle noch im Ohr haben. Das war für mich wieder mal ein Gedicht! Ich ging - immer auf Höhe der Lok - am Bahnsteig entlang, bis es nicht mehr weiter ging. Der Zug hatte inzwischen etwas Geschwindigkeit aufgenommen, jetzt konnte ich sehen, dass der ganz schön lang war. Ja, dann entschwand er, in Richtung Gera; bald musste er den Streckenbereich befahren, der damals in meinem Keller schon im Bau war, nämlich auf der Anlage Triptis I.

Das war mein letztes Zusammentreffen mit einer Dampflok im regulären Dienst; kurze Zeit darauf wurden diese Maschinen auch im Bereich der DDR durch hässliche und ziemlich brummige Dieselloks ersetzt. Später kaufte ich mir in "meinem" Vorbild-Bahnhof Neustadt (Orla) noch eine (Edmonson-)Fahrkarte nach Auma, sozusagen als Belegexemplar dafür, dass es die im Keller nachgebaute Strecke mal wirklich gegeben hatte.

Mit Hp1-Gruß - Helmut


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01.02.2020 11:10
#7 BR 41
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Hallo Forumer, ich habe die erwähnte Fahrkarte in meinen alten Unterlagen gefunden:



Wie man sieht, hat mir meine Erinnerung nach 35 Jahren einen Streich gespielt: Die Fahrkarte habe ich nicht in Neustadt, sondern in Triptis gekauft; Sie hat für die etwa 6 km Fahrstrecke nur 60 DDR-Pfennige gekostet, und ich hätte damit sowohl nach Auma auf der Nebenstrecke als auch nach Niederpöllnitz auf der Hauptstrecke fahren können. Das habe ich aber nicht getan, denn damals musste man die Fahrkarten nach der Fahrt an der Bahnsteigsperre wieder abgeben.

Mit Hp1-Gruß - Helmut


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