Gruppenausfahrtsignal sowie Einbindung einer Halbschrankenanlage

23.08.2022 11:14
avatar  KWer
#1 Gruppenausfahrtsignal sowie Einbindung einer Halbschrankenanlage
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Hier ein Foto von einem Teil der Hebelbank des ehemaligen (im EG befindlichen) Stellwerk des Bahnhofs Wendisch Rietz. Der Bahnhof liegt an der Strecke Königs Wusterhausen - Beeskow. Mittlerweile ist die Strecke auf Estw umgebaut. Seinerzeit standen dort Formsignale. Weil die Strecke strategisch wichtig war, wurde sie schon früh für höhere Achslasten und Geschwindigkeiten ertüchtigt. So hatten die Bahnhöfe Einfahrvorsignale. Teilweise als Formsignal, teilweise als Lichtsignal. Oft waren Schrankenanlagen neben den Bahnhöfen, auch hier teilweise als Kurbelschranke und teilweise elektrisch.

Zu sehen ist also ein Teil der Hebelbank. Von Storkow kommend gab es ein Lichtvorsignal für das Einfahrsignal. Dieses war ein Formsignal. Dann kam eine HS60b, diese wurde manuell geschlossen (elektrisch) und auch in den Bahnhofsblock eingebunden. Dann kam die Einfahrweiche, die beiden Ausfahrsignale Richtung Storkow, dann die Bahnsteige, dann zwei Sperrsignale, dann die Ausfahrweiche und dann das Gruppenausfahrsignal. Ein Stück weiter in Richtung Lindenberg das Einfahrsignal und wieder ein Lichtvorsignal.

Durchgehendes Hauptgleis war Gleis 2, dort konnten Zugdurchfahrten stattfinden.

Eine Kreuzung, und die durfte ich unter Anleitung selber schon durchführen, fand folgendermaßen statt:

Der Fdl in Lindenberg meldete einen Zug an. Der Fdl in Wendisch Rietz nahm den Zug an. Kurze Zeit später meldete der Fdl in Storkow einen Zug an, der ebenfalls angenommen wurde. Nun wurde die Schranke geschlossen, die Einfahrweiche von Storkow auf Gleis 1 gelegt, also in Minusstellung gebracht, die Fahrstrasse mechanisch festgelegt und, nun bin ich mir nicht mehr sicher, elektrisch festgelegt und das Einfahrsignal gezogen. Von Lindenberg kommend blieb die Weiche in Plusstellung (Gleis 2), die Fahrstrasse wurde ebenfalls mechanisch und elektrisch festgelegt und die Einfahrt gezogen.

Nachdem beide Züge eingefahren waren, wurden mit Schlüsselschaltern auf dem Bahnsteig die Fahrstrassen elektrisch aufgelöst, die Signale und Weichen zurück gestellt und die jeweiligen Ausfahrstrassen gelegt. Also in Richtung Storkow die Weiche in Plusstellung gebracht und die Ausfahrt gezogen und in Richtung Lindenberg die Weiche auf Minus gebracht, das Sperrsignal auf Fahrt und dann das Ausfahrsignal auf Fahrt. Nachdem beide Züge den Bahnhof verlassen hatten, wurde mit den Schlüsselschaltern auf dem Bahnsteig der elektrische Block aufgelöst und alle Signale konnten wieder auf Halt und die Weichen in Plus gebracht werden. Alle Weichen waren übrigens verriegelt.

Die Sache mit den Sperrsignalen und dem Gruppenausfahrsignal Richtung Lindenberg hat man gemacht, weil viele Züge mit Ausflüglern nur bis zum Scharmützelsee gefahren sind und so wahrscheinlich leichter und schneller die Lok umsetzen konnte.

Zu seinen besten Zeiten war der Bahnhof mit 7 Gleisen und 3 Bahnsteiggleisen mal relativ groß. Dann wurde er nach der Wende zurückgebaut auf zwei Gleise und mittlerweile ist es nur noch ein popliger Haltepunkt.

Meine Frage ist nun, ob jemand weiss, wie die Halbschranke eingebunden war. Automatisch war es nicht, es musste, wenn die Schranke geschlossen war, ein Knopf gedrückt werden (über dem Blockfeld). Kann auch sein, dass ich ich mit der Reihenfolge etwas vertan habe, es ist schon viele Jahre her. Interessant ist jedenfalls die Sache mit dem Gruppenausfahrsignal, weil das relativ oft in verschiedenen Foren diskutiert wird.

Ich hoffe, hiermit auch einmal einen konstruktiven Beitrag geleistet zu haben :-)

Gruß
KWer


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23.08.2022 14:09
#2 RE: Gruppenausfahrtsignal sowie Einbindung einer Halbschrankenanlage
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Zitat von KWer im Beitrag #1
Meine Frage ist nun, ob jemand weiss, wie die Halbschranke eingebunden war. Automatisch war es nicht, es musste, wenn die Schranke geschlossen war, ein Knopf gedrückt werden (über dem Blockfeld).

Hallo, ich vermute mal:
Das Kästchen mit dem "Schrankenknopf" ist eine Tastensperre für das zugehörige Fahrstraßenfestlegefeld. Diese Sperre kann nur aufgehoben werden, wenn der Verschluss der Schranke elektrisch rückgemeldet wird. Dann ist es erst möglich, das Festlegefeld zu blocken und daraufhin das Signal zu ziehen. Könnte so funktionieren. Und das Entblocken geschieht hier nicht durch eine Zugeinwirkung, sondern viel weniger aufwendig durch den Schlüsselschalter am Bahnsteig, das macht Sinn.

Mit Hp1-Gruß - Helmut


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23.08.2022 21:31
avatar  Benno
#3 RE: Gruppenausfahrtsignal sowie Einbindung einer Halbschrankenanlage
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Moin.
Zwar keine Antwort auf die Frage(n), aber einen Gleisplan - evtl. zur Übersicht hilfreich.
http://biuub.bplaced.net/gleisplaene/scharmuetzelsee.jpg
Grüße aus dem Oderbruch
Benno


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23.08.2022 21:39
avatar  KWer
#4 RE: Gruppenausfahrtsignal sowie Einbindung einer Halbschrankenanlage
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Der Plan ist sehr alt. Ich bin derzeit noch im Dienst und schreibe morgen Vormittag ausführlicher dazu.

Gruß
KWer


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24.08.2022 09:29
avatar  KWer
#5 RE: Gruppenausfahrtsignal sowie Einbindung einer Halbschrankenanlage
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Auf der Seite www.koenigswusterhausen.de ist die Bahnline Königs Wusterhausen - Grunow recht gut beschrieben. Es fehlen aber einige Informationen, deren Kenntnis einige Aspekte erklärt.
Haken wir da mal ein: Im Umland von Berlin fällt auf, dass viele Bahnen sternförmig von Berlin wegführen und in bestimmten Abständen radial verbunden sind. Um Berlin zu versorgen, benötigte man die Erzeugnisse der Umgebung. Für unsere kleine Bahn waren das vor allem Holz, Getreide, Kartoffeln und Ziegel. Später kam auch Vieh dazu, aber meines Wissens nie in nennenswertem Maße. Dafür war der Personenverkehr seit jeher recht umfangreich und der Militärverkehr auch. Beeskow war nämlich schon zu Kaisers Zeiten eine Garnisionsstadt. Das erklärt die, für eine Nebenbahn extrem langen Bahnsteige.
Jedenfalls benötigte man unbedingt einen Anschluss an Berlin. Auch befand sich in Storkow schon seit dieser Zeit eine Kaserne. Damals Artillerie, zu Wehrmachtszeiten Panzer und zu NVA-Zeiten Pioniertruppen und mehr. Zwischen Storkow und Wendisch Rietz befindet sich noch heute ein Übungsgelände der Armee, welches öfter genutzt wird. Mitten im Wald befindet sich eine Bunkeranlage mit eigenem Anschlussgleis. Die Strecke war (wahrscheinlich von Anfang an) für höhere Geschwindigkeiten gedacht und die Signalausstattung entsprechend. Sie ist irgendwann einmal für höhere Achslasten ausgebaut worden, leider ist mir nicht bekannt, wann das war. Königs Wusterhausen war Knotenbahnhof. Früher ging noch eine Strecke Richtung Mittenwalde dort ab. Ausserdem hat Königs Wusterhausen einen Hafen, in dem über zwei Wagonkippanlagen Kohle auf Lastkähne verladen wird, um das Kraftwerk Klingenberg in Berlin mit Kohle zu versorgen. Auch in Niederlehme war ein größeres Kohlenlager. Ausserdem gab es da ein Kalksandsteinwerk und Militär. Zu DDR-Zeiten waren dort Funker stationiert und Stasi. Die NVA hatte übrigens Raketenwerfertruppen rund um Westberlin stationiert und wäre in der Lage gewesen, West-Berlin komplett mit Katjuscha zu bestreichen. Ehemaliger Arbeitskollege war bei einer Werferbatterie und mein Vater bei den Funkern in Niederlehme.

Weiter auf unserer kleinen Nebenbahn. Kurz hinter Niederlehme gab es das Schwellenwerk Zernsdorf. Dort wurden Holz und Chemikalien angeliefert und Schwellen versandt. Heute ist dort eine Wohnsiedlung mit teuren Häusern drauf.

Weiter nach Zernsdorf. Die Beschreibung auf der Webseite ist etwas allgemein gehalten. Zernsdorf bestach vor dem letzten Umbau der Strecke durch eine mechanische Schrankenanlage. Der Bahnsteig war wieder exorbitant lang, weil viel Ausflugsverkehr zu erwarten war. Zernsdorf liegt inmitten einer schönen Seenlandschaft und ist daher für Berliner Ausflügler attraktiv.

Es folgt der Haltepunkt Kablow. In Kablow befand sich ein Tanklager und eine Ziegelei. Das Tanklager gehörte zur Staatsreserve der DDR. Im Internet existiert ein Foto einer BR 52, die Tender voran einen Kesselwagenzug aus KW Richtung Kablow zieht. Dies erklärt sich folgendermaßen: Die Kesselwagenzüge kamen aus Schwedt und die Lok konnte in KW nur umsetzen, aber nicht drehen. So fuhr sie dann eben Tender voran.

Nächste Station ist Friedersdorf. Friedersdorf hatte definitiv mechanische Vorsignale. Ausserdem einen Portalkran an der Ladestraße. Dort dürften auch Kohlen umgeladen worden sein, sicher aber landwirtschaftliche Produkte. Friedersdorf ist von weiten Feldern umgeben, auf denen Getreide angebaut wurde. Weiterhin wurde dort Holz abgefahren, es gab eine umfangreiche Milcherzeugung und viele Broiler und Eier kamen von dort. Broiler sind DDR-Grillhähnchen...

Zum folgenden Haltepunkt Kummersdorf kann ich nicht viel schreiben. Das Dorf selbst ist recht klein und lebt von Landwirtschaft.

Nächste Station ist Storkow. Es ist eine Kleinstadt mit ehemals umfangreichen Personenverkehr, schon wegen der Kaserne. Weiterhin gab es eine große Raiffeisen und einen Baustoffhandel und in der Umgebung viel Landwirtschaft, was die umfangreiche Ortsgüteranlage erklärt. Ausserdem konnten Loks hier Wasser nehmen.

Es kommt der Haltepunkt Hubertushöhe, der eher lokale Bedeutung hatte. Interessant ist aber, und das ist nicht dokumentiert, der Gleisanschluss hinter Hubertushöhe. Der verschwindet für die Außenstehenden im Wald...

...und endet an einer Bunkeranlage, in der Munition und chemische Kampfstoffe gelagert wurden. Der Anschluss wurde von einer BR 106 der DR bedient (zu DDR-Zeiten, die Bunker gab es schon im dritten Reich). Die Info mit der Lok ist gesichert, weil ich einen Lokführer kenne, der auf der Strecke gedient hat. Im Übrigen werden dort derzeit wieder chemische Kampfstoffe gelagert, weil dort ein Betrieb ansässig ist, der entsprechende Munition zerlegt und vernichtet. Die Ansiedelung dieses Betriebes war in der Bevölkerung nicht unumstritten. Aber was interessiert schon die Meinung der Bürger...

Die folgende Station Wendisch Rietz ist interessant. Zunächst fällt auf, dass das EG nicht zu den anderen auf der Strecke passt. Ein alter Mann, damals Fahrdienstleiterlehrling, 14 Jahre alt, erzählte mir folgendes:

"Ja, es war im April 45. Ich war 14 und habe dort Fahrdienstleider gelernt. Da waren noch der Bahnhofsvorsteher und der Fahrdienstleiter. Im Bahnhof stand ein Zug mit Munition. Der kam aus Beeskow und sollte nach Berlin. Die Russen haben uns mit Artillerie beschossen und Jagdbomber kamen. Ich hatte Angst und wollte nach Hause nach Lindenberg laufen. Der Fahrdienstleiter drohte mir mit Kriegsgericht, aber meine Angst war stärker, also lief ich weg. Ich war gerade am Ortsausgang Scharmützelsee (die Nazis hatten das von Wendisch Rietz umbenannt), als der Zug explodierte..." Danach gab es keinen Bahnhof mehr und niemanden, der ihn vor das Kriegsgericht bringen konnte. Als man den Bahnhofsvorplatz nach der Wende neu gestaltete, fand man wohl die Oberschenkelknochen mehrerer Personen.

Auf der oben genannten Seite befindet sich ein Luftbild mit dem Hotel-Restaurant Seeblick. Da das Restuarant früher "Zum Kaiser" hieß, muss das Bild nach Kaisers Zeiten entstanden sein. Der Autor der Seite schreibt von 1930 ungefähr. Es sind 7 Gleise und das Rampengleis zu sehen. Die im Plan eingezeichnete leere Bahnsteigkante gab es offensichtlich nie, auf anderen Bildern sieht man nur den Hausbahnsteig und einen Zwischenbahnsteig. Die dem Seeufer nächsten Gleise liegen nur im Sand und dürften Aufstellgleise gewesen sein. Jedenfalls hatten sie keine Ausfahrsignale. Mir ist auch kein Güterschuppen bekannt. Der schwach zu sehende Anbau ist lediglich eine offene Überdachung. Es existierte eine Rampe, im Bild rechts unten zu sehen. Das war eine reine Seitenrampe. Links oben ist die Ladestraße mit zwei Gleisen zu sehen und links davon ein Holzladegleis. Der Wald links war einige Jahre später Geschichte, der Holzplatz ging dann bist fast zur Straße. Ganz links oben und im Bild nicht mehr zu sehen, befand sich die Wendisch Rietzer Dampfsägewerk GmbH. Die gab es, unter anderem Namen, zu DDR-Zeiten noch. Dort wurde Grubenholz für den Ausbau der Gruben der Wismut-AG hergestellt und ausserdem russisches Fichtenholz zu Gerätestielen verarbeitet. Im Bild Mitte Links ist ein kleiner Schuppen zu sehen. Dort befand sich später sehr wahrscheinlich eine gemauerte Kombirampe. Jedenfalls waren deren Reste vor einigen Jahren noch da. In Wendisch Rietz fand die Militärverladung der Kaserne Storkow statt. Zu DDR-Zeiten wurde dort regelmässig Verladung geübt. Wann die beiden Ausfahrsignale gegen Sperrsignale und Gruppenausfahrsignal getauscht wurden, ist mir nicht bekannt. Wahrscheinlich mit Neubau des EG. Das neue EG wurde auf den Fundamenten des alten gebaut, der Keller ist noch der alte!

Vom EG geht ein dunkler Schatten nach rechts Richtung See. Das sind die Drahtzugkanäle. Auf der anderen Seite verlaufen die Drahtzüge oberirdisch und es standen mal Spannwerke.

Wendisch Rietz war schon lange Zeit Ausflugsort. Früher fuhr die Weisse Flotte aus Berlin dort hin, aber alsbald auch Züge, die hier endeten. Daher das Umsetzen der Lok. Bis zum Ende des Krieges war Wendisch Rietz nicht groß. Es hatte nur knapp über 200 Einwohner. Dazu kamen nach dem Krieg noch Flüchtlinge, die in den ehemaligen SS-Baracken (ein Lazarett) untergebracht wurden. Oder in den Resten, denn die Baracken wurden von den Russen gesprengt. Aber nach dem Krieg entstand auch ein Jugendfreizeitzentrum. Ein internationales gar. Der Reiseverkehr wurde dann mit Wendezügen (vierteilige Doppelstock mit BR 110) bewältigt. 1500 Personen waren da die Regel. Nach der Wende war auch das Geschichte und die Bahnanlagen wurden bis auf zwei Gleise zurückgebaut.

Die Strecke an sich existiert noch und stellt heute auch im Güterverkehr eine wichtige Umfahrung der Strecke Berlin - Frankfurt/Oder dar. Beeskow hat als größte Industrie ein Spanplattenwerk und so sind hin und wieder Umleiter auf unserer kleinen Nebenbahn zu sehen.

Gruß
KWer



Oben die Halbschrankenanlage. Übrigens hatte Wendisch Rietz die erste Halbschrankenanlage auf dem Gebiet der DR. Aber nicht die im Bild, sondern auf der anderen Seite des Bahnhofes.

Sonderfahrt auf der Strecke:







Damit man mir glaubt, dass da auch hin und wieder Güterzüge fahren:






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