Zur Einordnung von Pit-Peg

19.09.2021 15:57
#1 RE: ADJ Nr.2 Anlagenplanung im Wandel
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Der markige Untertitel "Die Entzauberung des Altmeisters" ist schon eine Ansage!
Da die Zeitschrift gern Bezug auf das Forum nimmt, möchte ich in diesem Zusammenhang auf den Strang Startpackung für den betriebsorientierten Modellbahner hinweisen. Die Größe von 1,76× 0,88 ist für einen Einsteiger ausreichend, 4 Weichen sind budgetfreundlich und die Gleise liegen alle auf der Grundplatte auf.
Blättert man durch Gleisplanbücher beginnt alles mit dem Oval (wie auch jede Startpackung). Am schönsten finde ich dazu das Buch aus dem Alba Verlag indem aufgezeigt wird, wie durch Landschaftsgestaltung die Anlage trotz Aufbau in der Gleise im Ebene 0 plastischer wirkt als auf dem Grasmattenteppich.
Als Vergleich zieht Otto die Fensterbachtalbahn heran, für mich ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.
Pit-Pegs Entwurf ist eine komplette Selbstaulösung, die FTB ist eine Überarbeitung eines Fertiggeländes.
Wird sich ein Anfänger so beherzt da heran trauen wie Otto?
Man darf bei Pit-Pegs Entwürfen auch nicht vergessen, welches Gleismaterial zu dieser Zeit zur Vefügung stand, da fehlte die ein oder andere Weiche im Sortiment der Hersteller.
Im Sinne der FTB und des Strangs über die Startpackung hätte ich mir die Transformation in die heutige Zeit gewünscht, denn die FTB ist ja so auch nicht bei NOCH im Programm.
Seit der FTB ist für mich klar, daß auch Kleinanlagen im Sinne dieses Forums betrieben werden können.
Ein wenig erkenne ich auch Auszüge aus Vollbach wieder.
Ich stimme zu, daß der vorliegende Entwurf höchstens in der aktuellen Epoche einen Trennungsbahnhof darstellen kann.
Übrigens den Entwurf auf der linken Seite Seite hat Bernhard Stein im Märklin Gleisplanheft 0700 in abgewandelter Form gebracht.
Man sieht also auch gewisse Evolutionsstufen in der Anlagenplanung.
Da stimme ich ein Stück dem Fazit von Otto zu.

Viele Grüße

Kai-Nils

Die Kunst eine Lokomotive zu führen kann nur durch jahrelanges Studium, geduldiges Üben und Erfahrung erworben werden.
(The Australian Locomotive Enginedriver's Guide)

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02.10.2021 13:18 (zuletzt bearbeitet: 02.10.2021 20:32)
avatar  Gilpin
#2 Zur Einordnung von Pit-Peg
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Hi Alle,

ich habe mittlerweile ein wenig zu Pit-Peg „geforscht“. Sein erster Beitrag in der Miba stammt aus 12/1955 (nicht das Weihnachtsheft, das war die über Jahre hin die Ausgabe #16); da hat Norbert J. Pitrof, Gößweinstein, gleich mal einen veritablen Artikel über sieben Seiten vorgelegt, aber der verbindenden Worte eines Günter Albrecht bedurft. (Auch später stammten die Begleittexte zu Pit-Pegs Zeichnungen von anderen Autoren, beispielsweise WeWaw.) Es ging um eine Justin & Orbex Steinkohlenbergbau GmbH – von ihm stammte die Idee, klar, aber auch eine perspektivische Skizze, ein Lageplan in der Draufsicht, und diverse Auf- und Grundrisse sowie perspektivische Zeichnungen. Ergänzt wurde das Ganze durch ein Foto eines ähnlichen Bergbaus als TT-Modell. (Der Text ist reichlich aufgeblasen, quasi ein urban myth.) Es gibt noch zwei Ergänzungen im Folgeheft in dem gleichen Stil. Ich will sagen, dass die Gründlichkeit des Beitrags, soweit er auf Pit-Peg zurückgeht, sehr ordentlich ist!

Wenn man bedenkt, dass die zeitgenössische Heimanlage eine 1m x 2m große Platte war, mit grünem Sägemehl bestreut und mit einem Gebirge, das nicht wesentlich größer war als die Tunnelröhre, die da hindurchführte, und Märklin-Metallschienen – nach drei Weihnachtsfesten war diese dann endgültig mit Gleisen vollgestopft. Die zeitgenössischen Anlagenvorstellungen in der MIBA sind da ambitionierter, trotzdem bleibt ein erheblicher Fortschritt als sein Verdienst.

Pit-Pegs erste eigenständige Veröffentlichung war wohl die Anlagen-fibel (sic) von 1962.
Einiges ist für Pit-Peg typisch, aber merkwürdig:

- Schwach getarnt, aber erkennbar, sind Kreisverkehr und Achten
- Umgekehrt erscheinen immer wieder Bahnhofsvorfelder mit Hauptbahnen, die stumpf am Anlagenrand enden, mitunter in blinden Tunnelportalen; der Autor (nicht Pit-Peg, s.o.) spricht von Fahrmöglichkeiten
- In Bahnhöfen kommen immer wieder Überwerfungsbauwerke vor, in denen Strecken den Bahnhof über- oder unterqueren, aber ohne Verbindung zu den Bahnhofsvorfeldern – Kreuzungsbahnhöfe sind sie aber auch nicht!
- Insgesamt kommt es bei den etwas größeren Anlagen zu einem Hochzeitstorten-Design mit mehreren hintereinander und jeweils höher liegenden Ebenen. Dabei entstehen in den unterirdischen Streckenabschnitten häufig reichlich ambitionierte Steigungen

Aber es bleibt auch anderes haften:

- Besonders die kleinen Bahnhöfe machen Sinn, sie sind sparsam, allenfalls mit kleinem EG und GS, mitunter mit einem Anschlussgleis ausgestattet, aber nicht mit einem zwecklosen Kleinst-Bw.
- Für die größeren gilt das nicht uneingeschränkt, sie bieten aber immer ein passendes Bw für Dampfloks – gerade weil manchmal die Strecken abgebrochen sind, wird so Rangierverkehr auf den Bahnhofsvorfeldern generiert.
- Schwerpunkt des Fahrbetriebs ist der Durchgangsverkehr: die Bahnhöfe sind immer wieder Durchgangs-, Trennungs- und Berührungsbahnhöfe. Hinzu kommen sehr oft abzweigende Nebenbahnen mit ihren Endbahnhöfen.
- Oft bilden Großstadthäuser (Gründerzeit!) den Anlagenhintergrund; nicht nur im Sinne von (Relief-)Kulisse, sondern durchaus flächig, aber eben als Bezug, als setting. Dort finden auch kleine Industrien ihren Platz, mit und ohne Gleisanschluss. Vielleicht romantisierend – aber nicht verniedlichend.

Pit-Pegs besondere Verdienste kommen scheinbar en passant:

- Er bevorzugt deutlich für eine Variation der „Fläche“ neben der Bahnstrecke und den Straßen: Bachläufe mit ihren Durchlässen, Straßenbrücken, Dämme etc. Notwendige Konsequenz ist dann ein Plädoyer für die offene Rahmenbauweise.
- Er legt Wert auf Gegend, gern in Form von Kleinstädten, aber auch Feld-Wald-Wiesen; Industrien kommen vor, dominieren aber nicht.
- Variation im Detail ist ihm wichtig: Bahndämme werden unterbrochen von Durchlässen, Treppen, Signalfundamenten etc. (Die Quelle liegt mir immer noch nicht vor, da muss ich mich auf mein Gedächtnis verlassen.)

Insofern ist es nicht ausreichend, dass in Ottos Artikel keine Quelle benannt wird (außer seiner eigenen Fensterbachtal-Bahn), sie geben nämlich keinen bis wenig Anlass für die zitierte exemplarische Kritik (Dr. Franz Rittig). Dass in einem halben Jahrhundert Fortschritte erzielt werden, ist naheliegend – aber ein Museum (da muss man staunen, darf nichts berühren, muss den Mund halten und pünktlich wieder gehen) ist nicht der richtige metaphorische Ort für Pit-Peg.

Nichts für ungut,
Reiner


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07.10.2021 10:13
avatar  epo2
#3 RE: Zur Einordnung von Pit-Peg
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Hallo,
Anlagenplanung im Wandel zu betrachten, ist meiner Meinung nach ein wichtiger Bestandteil der Planung in der Gegenwart. Es wird sich auch dabei zeigen, daß das Bessere der Feind des Guten ist. Das macht das Gute aber nicht per se schlecht. Auf Pit-Peg bezogen heißt das für mich, ich trenne durchaus seine Anlagenpläne von den Aufzeichnungen. Norbert Pitrof war Kunstmaler und als solcher ein Meister der Skizzen. Die alten Miba-Report 6-8 und 12-13 zeigen das deutlich. Seine Anlagen stehen überwiegend im Zeitgeist und haben auch planerische Schwächen (ambitionierte Steigungen, abenteuerliche Weichenwinkel, niedliche Fahrzeuge in den Panoramen), doch sehe ich sie hauptsächlich als Vorschläge, wie man die einzelnen Details und Bauprojekte in eine Anlage einbeziehen kann. Eher eine Anreihung als eine Summe der Einzelheiten. Mit diesem Blickwinkel sind sie gewissermaßen zeitlos und immer wieder eine Quelle für die eigene Planung nach "heutigem Zeitgeist", über den in fünfzig Jahren sicher ebenfalls dikutiert wird. Also ins Museum mit Pit? Besser in die Schmuckschatulle, und immer wieder mal eine Perle herauszaubern.

Grüße

Ralf

Das Leben ist eines der Besten!

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