Betrieb auf der "Teppichbahn" Neumünster - Darmstadt

14.07.2016 00:50
#1 Betrieb auf der "Teppichbahn" Neumünster - Darmstadt
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Im Laufe meines Studiums habe ich einen (!) Kommilitonen gefunden, der sich privat mit Modellbahnen beschäftigt und das auch zugibt. Das heißt, im wesentlichen sammelt er schöne Dampfloks der Epochen 1 und 2 und ein paar Wagen dazu, oder auch mal moderne Fahrzeuge. Vor einiger Zeit haben wir uns mal bei ihm getroffen und ein großes Oval aufgebaut, ich hatte mir gerade ausnahmsweise mal eine neue Lok gekauft, die ich probefahren durfte, und er konnte seinen großen Fuhrpark präsentieren. So weit, so gut.

Wenig später entdeckte ich dieses Forum und andere Internetangebote, was mir die Augen für vorbildnähere Formen des Modellbahnbetriebes öffnete. Ich holte mir ein paar Gleise aus meinem alten Fundus, der normalerweise 400 km entfernt bei meinem Vater lagert, und überlegte mir einen sparsamen Teppichbahn-Gleisplan mit einem Endbahnhof und Industrieanschlüssen, um mal Wagenkarten und Fahrpläne auszuprobieren; dann sah ich jedoch aus familiären Gründen wieder davon ab, denn Kleinkind und Teppichbahn, so dachte ich mir, vertragen sich nicht gut (es sei denn, es ist eine Briobahn, die mag mein Sohn auch sehr gerne).

Dann schlug ich dem besagten Kommilitonen vor, in seiner Wohnung eine Teppichbahn mit etwas vorbildnäherem Gleisplan aufzubauen und sie nach Fahrplan zu betreiben. Wider erwarten fand er die Idee gut. Zugegebenermaßen haben wir auch beide in unserem Studium ein Modul "Bahnbetrieb" gehört und dabei zusammen Fahrpläne aufgestellt und sollten eine Vorstellung davon haben, was das ist - trotzdem wäre zumindest ich eher nicht von alleine darauf gekommen, dass man genau das auch konsequent mit einer Modellbahn machen könnte.

Wir nahmen uns das also vor und es begann eine lange Vorbereitungszeit. Wir beide suchten alle verfügbaren und funktionsfähigen Gleise zusammen, erstellten Listen und arbeiteten Gleispläne aus, jede vorhandene Weiche musste eine möglichst effiziente Verwendung finden. Die Konzeption sah schließlich etwa so aus:

Eine eingleisige Hauptstrecke führt vom Fiddleyard Darmstadt über die Spitzkehre Rammhausen zum Fiddleyard Neumünster. In der Spitzkehre zweigt zudem eine Nebenbahn ab, und eine weitere an einem anderen Bahnhof. Wie aus den Ortsnamen ersichtlich wird, ist der Ort nicht sehr präzise festgelegt und die Strecke vollkommen Freelance, sie liegt aber im Bereich der Preußisch-Hessischen Staatsbahn. Aufgrund der vorhandenen Fahrzeuge wurde als Zeitpunkt 1920 mit großzügiger Toleranz festgelegt, es gibt also Fahrzeuge in Länderbahnlackierung, Loks mit Reichsbahnbeschriftung in grün sowie "richtige" schwarze Reichsbahnloks. Auf der Hauptstrecke findet durchgehender Güter- und Personenverkehr statt, dazu gibt es dort und auf den Nebenstrecken Personenzüge und Nahgüterzüge; letztere werden im Spitzkehrenbahnhof Rammhausen gebildet. Entlang der Strecken sind natürlich Ortsgüteranlagen und Anschlüsse zu bedienen.

Für uns beide war dieses Projekt der erste Versuch praktischen Betriebes auf einer Modelleisenbahn, und ich möchte unsere Erfahrungen gerne mit diesem Forum teilen. Ist das für euch interessant? Wenn ja, werde ich gerne in loser Folge davon berichten und auch unsere Arbeitsmaterialien zeigen.


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16.07.2016 11:20
#2 RE: Betrieb auf der "Teppichbahn" Neumünster - Darmstadt
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Zitat von Zindelstein im Beitrag #1
Für uns beide war dieses Projekt der erste Versuch praktischen Betriebes auf einer Modelleisenbahn, und ich möchte unsere Erfahrungen gerne mit diesem Forum teilen. Ist das für euch interessant? Wenn ja, werde ich gerne in loser Folge davon berichten und auch unsere Arbeitsmaterialien zeigen.

Ja bitte!

Grüße Hubert

"Sir, we are surrounded!" - "Perfect, so now we can attack in every direction!"

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16.07.2016 15:44
avatar  vauhundert ( gelöscht )
#3 RE: Betrieb auf der "Teppichbahn" Neumünster - Darmstadt
va
vauhundert ( gelöscht )

Hallo zusammen,

auch von mir die Bitte mit der Berichterstattung weiter zu machen,
denn der Betrieb in dieser Zeit war doch ein Stück weit anders,
als es in der doch viel zu stark ausgenudelten Zeit der fünfziger
bis siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts der Fall war.

Wenn Ihr vom Fach seit und das entsprechend mit den richtigen Unterlagen durchführt,
kann ich mir für meine bevorzugte Zeit (1914),für die ich schon eine Menge Vorschriften,
Fahrpläne und sonstiger Unterlagen gesammelt habe, sicher noch einiges dazulernen.

Beste Grüße aus dem Bergischen

Michael


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30.07.2016 00:40 (zuletzt bearbeitet: 30.07.2016 00:41)
#4 Grundlagen und Gleisplan
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Ich hoffe, ich habe nicht zu hohe Erwartungen geweckt - die erforderlichen Kompromisse bei einer Teppichbahn sind massiv, so dass der Betrieb am Ende sicher nicht so schön und vorbildgetreu aussieht, wie auf einer vernünftigen Anlage. Aber ich mache mal weiter.

Uns stand eine großzügige Einzimmerwochnung von ca. 35 m² mit einem annähernd quadratischen "Hauptzimmer" zur Verfügung, sparsam möbliert, also ganz ordentlich. Meine ersten eingereichten Pläne basierten noch auf meinem ursprünglichen, sehr bescheidenen Nebenbahnthema. Mein Kommilitone, nennen wir ihn mal R., wünschte sich aber mehr Betrieb und Einsatzmöglichkeiten für Schnellzugloks, dann schaukelten wir uns gegenseitig hoch. Das Ergebnis ist hier:


Die Hauptstrecke beginnt im Fiddleyard Neumünster, dieser Bahnhof liegt angenommenermaßen eher dicht am dargestellten Bereich. Über die kleinen Bahnhöfe Quarnbek und Plotzenbrok führt sie in den Bahnhof Rammhausen; unterwegs ist noch eine Anschlussstelle für ein Kohlekraftwerk. In Rammhausen kehrt die Hauptstrecke spitz und verlässt den Bahnhof am gleichen Ende Richtung Darmstadt, das etwas weiter weg liegt.
Zugleich ist Rammhausen aber auch ein Durchgangsbahnhof, eine Nebenbahn führt weiter nach Voorde. Im Nachbardorf Bohnert wurde kürzlich eine Heilquelle erschlossen, die nun viele Kurgäste dorthin führt. Ein angemessener Bahnhof ist noch im Bau. Bisher gibt es nur ein einzelnes Gleis von Sehestedt, so dass die Loks in eine Richtung schieben müssen, und den Anschluss eines Sägewerkes.
Eine weitere Nebenbahn zweigt im Einfahrbereich von Quarnbek ab, das also ein Keilbahnhof ist. Weil zwischen den Bahnsteigen an den auseinander strebenden Strecken schon etwas Fußweg liegt, werden sie als "Quarnbek West" und "Quarnbek Ost" geführt, sind aber Bahnhofsteile des selben Bahnhofes. Im Endbahnhof Sehestedt gibt es außer einem Umsetzgleis und einer Holzrampe auch ein Chemiewerk. Nach Verkehrsaufkommen ist dies der zweitgrößte Anschließer dieser Anlage.

Im Bft Quarnbek Ost gibt es nur eine Bahnsteigkante, bei Zugkreuzungen kann also nur maximal ein Personenzug dort halten. Auf eine richtige Ortsgüteranlage wurde aus Weichenmangel verzichtet, dafür gibt es den Anschluss einer Mühle.
In Plotzenbrok gibt es zwei Bahnsteigkanten, freizügige Kreuzungen sind möglich. Außerdem hat der Bahnhof ein Nebengleis mit Rampe und Güterschuppen. Hier werden vorwiegend Stückgut und landwirtschaftliche Güter umgeschlagen.

Rammhausen verfügt über drei Bahnsteiggleise, eine Ortsgüteranlage und zwei Nebengleise, die je nach Tageszeit zum Abstellen von Reisezugwagen oder zum Bilden von Nahgüterzügen dienen. Da hier Loks gewechselt und gedreht werden müssen, gibt es auch ein rudimentäres Bw mit Drehscheibe (hier hätten wir eine 23-m-Drehscheibe gebraucht, denn die größte Lok war eine P 10. Leider stand uns nur die kleinste Handdrehscheibe von Fleischmann zur Verfügung und wir mussten den Tender mit der Hand anheben.) Rammhausen ist eine Kleinstadt, in der ein Metall verarbeitender Betrieb für Güteraufkommen sorgt und wo auch schon mal ein Kraftfahrzeug angeliefert werden muss.

Voorde hat dann noch einen Anschluss einer Meierei und als "kleine Betriebserschwernis" einen Güterschuppen an jenem Nebengleis, das auch zum Umsetzen benutzt wird. Ich vermute, dass sowas in der Realität nicht gemacht wurde, zumindest nicht an einem (effektiven) Endbahnhof - überlegt euch mal, was passiert, wenn ein Personenzug auf dem Bahnsteiggleis ankommt, die Lok umsetzen soll und vor dem GS steht ein Güterwagen, der hinterher auch wieder dort stehen soll! Erst beim Betrieb hat man gemerkt wie blöd das ist.
Die Fiddleyards sind einfach zwei nicht verbundene Stumpfgleise direkt nebeneinander. In Sonderfällen können Fahrzeuge zwischen den Strecken getauscht werden und nicht verwendetes Material kann hier zentral abgelegt werden.

Um ein wenig Struktur in den Güterverkehr zu bringen, hat jedes Streckenende bestimmte Güter, die dort produziert bzw. nachgefragt werden. Neumünster liegt in der norddeutschen Küstenregion, von dort kommen landwirtschaftliche Erzeugnisse, Fisch und Importgüter wie z.B. Rohöl.; nachgefragt werden Kohle, Maschinen für den Export und Holz. Darmstadt ist geprägt durch Industrie und Bergbau, aus dieser Richtung kommen Kohle, Maschinen und andere Metallerzeugnisse. Nachgefragt werden landwirtschaftliche Produkte und Chemikalien.
Durch diese Zuordnungen ist für jeden Wagen, der auf der "Anlage" beladen wird, logisch nachvollziehbar, in welche Richtung er weiterreisen muss, und bei bestellten Waren ist klar, aus welcher Richtung sie kommen. Der Binnenverkehr ist nicht allzu ausgeprägt; möglich ist Langholztransport von Sehestedt nach Bohnert, Getreide von den Dörfern zur Mühle und Milch zur Meierei. Letztere wird aber von den Personenzügen im Gepäckwagen befördert und tritt kaum in Erscheinung.

Oben im Plan ist vermerkt, welche Weichen aus unserem Fundus in welcher Betriebsstelle verplant sind. Der Plan wurde fast genau so umgesetzt, nur in Sehestedt wurde die Chemiefabrik stattdessen aus Platzgründen mit einer zusätzlichen Weiche in der Bahnhofseinfahrt angeschlossen (spitzkehrenartig). Bedingt durch den Wunsch nach "viel Infrastruktur" mussten alle Betriebsstellen sehr bescheiden ausfallen, alle wohl jeweils eine Nummer zu klein. Und "Luxus" wie Schutzweichen oder Hosenträger war einfach vom Material her nicht drin, so dass die Vorbildnähe stark eingeschränkt ist.


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05.09.2016 23:07
#5 Fahrplan
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Die Fahrplangestaltung liegen folgende Verkehrsanforderungen zugrunde, die wir gemeinsam festgelegt haben:

Prinzipiell zerfällt die Anlage in folgende Relationen (etwa Kursbuchstrecken): Neumünster - Rammhausen, Darmstadt - Rammhausen, Rammhausen - Sehestedt, Rammhausen - Bohnert. Züge des Nahverkehrs befahren normalerweise nur eine dieser Relationen. Auf jeder Strecke sollte es Personenzüge geben, die Arbeitnehmer frühmorgens (bis spätestens 7:00 Uhr) zu den größeren Zentren befördern und gegen 16:30 Uhr wieder zurück. Hinzu kommen Schülerzüge, die etwas später verkehren und ihr jeweiliges Ziel kurz vor 8:00 wieder erreichen; sie verkehren gegen 13:00 in umgekehrter Richtung. Außerdem sollte es Züge geben, die Reisende mit sonstigen Bedürfnissen vormittags in die Stadt und abends zwischen 20:00 und 22:00 wieder zurück bringen. Somit ist das Mindestangebot an Personenzügen festgelegt. Da Neumünster ein nahegelegenes Oberzentrum ist, gibt es auf der Strecke Rh-Nms eine Art Vorortverkehr, Züge verkehren ungefähr alle zwei Stunden.

Die Nahgüterzüge verkehren auf den gleichen Relationen. Auf den Hauptstreckenabschnitten Nms-Rh und Da-Rh gibt jeweils einen frühmorgendlichen Verteilerzug in jede Richtung und nachmittags einen Sammlerzug in jede Richtung; diese bedienen alle Ladestellen in den Bahnhöfen. Auf den Stichstrecken gibt es morgens je einen Verteilerzug ab Rammhausen; nachdem am Endbahnhof die letzten Wagen zugestellt sind, kann die Lok einen Personenzug übernehmen oder leer zurückfahren. Nachmittags passiert das gleiche Spiel umgekehrt; Wagen werden ab dem jeweiligen Endbahnhof gesammelt und nach Rammhausen gebracht. Alle Ladestellen werden also zweimal täglich bedient; dazwischen müssen dem Kunden mindestens acht Stunden Ladefrist gewährt werden.

Die beiden Großanschließer Eider-Chemie A.G. in Sehestedt und das Kraftwerk mit der Awanst nahe Rammhausen erfordern zusätzliche Bedienungsfahrten. Beim Chemiewerk ist die Gleislänge begrenzt, weshalb mehr als zweimal täglich Wagen gebracht und abgeholt werden müssen. Dies geschieht teils mit zuätzlichen Ng zwischen Rh und Sh, teils durch Mitbenutzung der Personenzüge. Das Kraftwerk hingegen braucht mehr O-Wagen mit Kohle, als die Nahgüterzüge mitnehmen könnten, weshalb es zweimal täglich mit Sperrfahrten ab Rh bedient wird.

Auf der Hauptstrecke verkehren außerdem durchgehende Züge zwischen Nms und Da. Gefordert waren hier täglich drei Eilzugpaare und zwei Schnellzugpaare. Schnellzüge halten nur in Rammhausen, Eilzüge außerdem in Plotzenbrok. Durchgehende Züge müssen in Rammhausen spitz kehren, meist mit Lokwechsel. Der Kurort Bohnert ist mit einem täglichen Kurswagenpaar an den Fernverkehr angeschlossen. So können die Gäste morgens mit dem Kurswagen umsteigefrei von Bohnert Richtung Darmstadt reisen, nachmittags von Darmstadt nach Bohnert.

Zudem verkehren drei Durchgangsgüterzugpaare Nms-Da täglich, zwei davon setzen in Rammhausen Wagengruppen aus bzw. stellen sie ein. Der Güterverkehr zwischen Rh und den Fiddleyards wird also hauptsächlich mit den Dg und nicht mit den Ng abgewickelt.

Weitere Prämissen waren, dass ein D-Zug 2 Minuten von Bahnhof zu Bahnhof braucht (der Abstand ist zwischen allen Bahnhöfen gleich), Eil- und Personenzüge 3 Minuten und Güterzüge 4 Minuten. Die Mindesthaltezeit beträgt für Reisezüge 1 min, für Nahgüterzüge, die rangieren, 10 min. Für die Spitzkehre in Rammhausen, egal ob mit Umsetzen oder Lokwechsel, werden ebenfalls 10 min angesetzt, ebenso für das Umsetzen am Endbahnhof. Zudem stehen nur zwei Lokpersonale zur Verfügung (wir waren eben nur zwei Leute), folglich dürfen höchstens zwei Züge gleichzeitig fahren.

Basierend auf diesen Forderungen habe ich dann einen Bildfahrplan auf Papier als Entwurf gezeichnet, noch mit nur grober Berücksichtigung der Fahrzeugumläufe und ohne minutengenaue Agabe der Zeiten. Als Beispiel dafür folgt der erste Teil:



Mit dieser Grundlage konnte R. dann die Fahrzeugumläufe planen, die ich im nächsten Beitrag beschreiben werde. Um diese wirtschaftlich zu gestalten, waren noch ein paar Änderungen am Fahrplan nötig. Am Ende konnte ich dann mit jTrainGraph einen gut lesbaren Bildfahrplan erzeugen, der die Grundlage für alle weiteren Planungen bildete:



Zum Ansehen in ausreichender Größe ist offenbar leider ein Download der Bilddatei erforderlich. Grün dargestellt sind Personenzüge (gestrichelt mit Triebwagen), rot Eilzüge, blau D-Züge, braun Dg, schwarz Ng, lila Sperrfahrten und grau Leerfahrten.
Wie man sieht, konnten die Forderungen weitgehend umgesetzt werden. Hinzugekommen sind ein Eilzugpaar Nms-Rh sowie einzelne direkte Personenzüge Sh-Bo und Da-Bo.


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