Die Bodetalbahn, Teil 1: Vorbilder und Epochales

19.06.2008 23:56 (zuletzt bearbeitet: 20.06.2008 00:08)
#1 Die Bodetalbahn, Teil 1: Vorbilder und Epochales
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Warum kein konkretes Vorbild?

Zunächst kann man sich die Frage stellen, warum man keines der realen Harzer Meterspurvorbilder nachbaut. Gab es da doch drei Bahngesellschaften (NWE, GHE, SHE) mit zusammen über 150 km Streckenlänge! Da ließe sich doch sicher etwas passendes… ja, natürlich. Aber es sprechen doch ein paar Argumente gegen den exakten Nachbau eines Vorbildes. Meine Lieblingsbahn im Harz ist die Selketalbahn, also GHE. Nähmen wir mal an, ich baute einen Abschnitt der GHE nach:

- Der Nachbau eines konkreten Vorbildes erfordert m. E. einen deutlichen Mehraufwand. Will man z. B. die Bahnhöfe Alexisbad und Harzgerode nachbauen, ist man doch sehr an die Vorbildgleispläne, Gebäude, Landschaftselemente und den Betrieb gebunden.

- GHE hin oder her, es gibt auch andere Vorbildsituationen, die mir gefallen und die ich gerne auf der Anlage hätte.

- Beim Einplanen einer bestimmten Vorbildstrecke in einen gegebenen Anlagenraum handelt man sich viele Zwänge ein, die die Planung nicht einfacher machen.

- Da das Vorbild allgemein bekannt und gut dokumentiert ist, gibt es genügend „Spezialisten“, denen jede Abweichung vom Vorbild sofort auffallen wird.

- Die Auswahl an Fahrzeugen (sowie Gebäuden usw.) ist in 0m sehr übersichtlich. Einige Modelle nach Harzer Vorbildern, auch der GHE, sind schon dabei. Ich möchte aber auch andere Fahrzeuge einsetzen können, so sie denn „passend“ wirken.

Freelancing vs. Prototype-Freelancing

Die Konzeption der BAE, bei der eine erfundene Bahnstrecke ganz konkret in die reale Landkarte eingezeichnet wurde, nötigte mir schon immer größten Respekt ab. Doch ganz so puristisch wollte ich es zunnächst nicht haben, da ich umfangreiche, fast wissenschaftliche Recherchen fürchtete. Und so wurde die Bodetalbahn (die damals noch nicht so hieß) zunächst nur ganz allgemein im Ostharz angesiedelt, „irgendwo“ in der Nähe der Selketalbahn und mit einer (durch einen Fiddle-Yard repräsentierten) Verbindung zu dieser. Doch da gingen die Schwierigkeiten dann los: ich mußte mit fiktiven Ortsnamen jonglieren, willkürlich Streckenverläufe zeichnen („ein Zwischenbahnhof? Oder zwei? Wo siedeln wir denn mal das Bergwerk an…“). Um es kurz zu machen: von diesem Weg bin ich dann doch wieder abgekommen.

Also stellte ich mich vor eine großformatige Harzkarte (in den ehemaligen Redaktionsräumen des „Mittelpuffer“) und suchte diese ab nach einer Gegend, die ohne einen realen Eisenbahnanschluß auskommen mußte, dennoch etwas größere Ortschaften aufweist die einen solchen vielleicht gerechtfertigt hätten und dann auch noch nicht zu weit von einer Regelspurstrecke und dem realen Harzer Meterspurnetz entfernt ist. Nach etwa zwanzig Minuten intensiven Starrens war der Ort der Inszenierung dann gefunden.

Und: damit wurde plötzlich alles viel einfacher! Vorher mußte die ganze Eisenbahn völlig „frei schwebend“ in einen nicht existenten Raum hineingeplant werden; jetzt war rein topographisch klar, daß die Nebenstrecke nur in Treseburg abzweigen konnte. Der Bahnhof Treseburg konnte nur auf dem schmalen Geländestreifen liegen, der um 1900 noch nicht bebaut war. Der Anschluß ans restlicher Harzer Meterspurnetz konnte nur in Güntersberge erfolgen. Und ich wollte eine Eisenhütte mit Gleisanschluß, die konnte nur in Altenbrak sein, da es dort früher mehrere solchen Betriebe gab.



Wann und Warum?


Die Bodetalbahn spielt in der DDR des Jahres 1966. Dies bedeutet natürlich, daß die ehemals private Bahngesellschaft längst verstaatlicht und in die Reichsbahn eingegliedert ist. Dazu tauchten schon mehrfach Fragen auf, was ich denn an der DDR-Reichsbahn so toll fände…

Dazu erteile ich zwei Freunden das Wort. OOK schreibt zu seinem ersten Besuch bei der Harzquerbahn (1974):

"Bewertungen der DDR, ernstgemeinte und ironische, gibt es viele, ich kann nur sagen: für den Schmalspurfreund war sie ein Paradies..."

Und Michael Sterna, dessen Rügnitzer Kleinbahn auch in der DDR der 60er Jahre angesiedelt ist, meint dazu:

"Reizvoll ist die Mischung von traditionell Lenzschen Fahrzeugen und anderen in der Republik zusammengetragenen (...), schließlich sollten die Werktätigen aller Länder gemeinsam am Aufbau des Sozialismus wirken! Um nicht den Verfassungsschutz auf den Plan zu rufen: ein Leben in der Diktatur des Proletariats mochte und mag ich mir nicht vorstellen, so sehr links schlägt mein Herz nun auch nicht. Aber wo sonst musste die Kleinbahn der 60iger, 70iger Jahren noch so unermüdlich ihren Dienst für die Bevölkerung tun? Und sie tat es unter widrigen Umständen dank des Engagements etlicher Frauen und Männer der Reichsbahn bis zuletzt, als ihnen blühende Landschaften in Aussicht gestellt wurde."

Dem ist nichts hinzuzufügen!

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29.06.2008 19:39
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#2 RE: Die Bodetalbahn, Teil 1: Vorbilder und Epochales
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OOK

Zunächst kann man sich die Frage stellen, warum man keines der realen Harzer Meterspurvorbilder nachbaut.
Sebastian hat diese Frage ja so gründlich und überzeugend beantwortet, dass eigentlich kaum etwas hinzugefügt werden kann. Und er hat eindeutig ein Plädoyer für das Konzept des prototype-freelancing verfasst, eines, wie es Tony Koester nicht hätte besser und überzeugender machen können.
Was die GHE für Sebastian ist, war und ist für mich die Südharzbahn: meine eigentliche Leib- und Magenbahn. Die hätte ich am liebsten konkret nachgebaut.
Aber was hätte das bedeutet!? Möglichst viele (im Idealfall alle) Stationen der SHE mit korrektem Gleisplan und den richtigen Hochbauten nachzubauen und darauf nach einem Originalfahrplan der SHE Betrieb zu machen.

Das wäre möglicherweise noch mit Ach und Krach zu schaffen gewesen. Das wesentlich größere Problem wäre gewesen, die korrekten Fahrzeuge einzusetzen: BB und BB1-Mallets sowie E-Luttermöllermaschinen und zumindest den Triebwagen 02, alle Wagentypen sowieso. Unschaffbar.

So kam ich auf die Idee, eine Pseudo-SHE zu bauen, eine Bahn, die mit der richtigen SHE in Verbindung steht und viele wiedererkennbare Details von ihr widerspiegelt.
Auf ihr werden auch original SHE-Fahrzeuge verkehren: der T 02, ein C4i und fünf Ot-Wagen sind bereits vorhanden, eine Reihe von SHE-Güterwagen im Bau. Und diese Fahrzeuge tauchen dann im Übergangsverkehr mit der SHE auf der Anlage auf, und die Fahrzeuge, die ich (noch) nicht besitze, sind "an dem betreffenden Tage" gerade nicht auf der BAE zu sehen.

Genauso will es Sebastian mit seiner BTE auch machen. Da wünsche ich ihm viel Glück und Erfolg. Bei seiner wasserdichten Konzeption sind am Gelingen des Projekts kaum Zweifel angebracht.

OOK
Heute schon in den ADJ-Blog geschaut?
https://www.jaffas-moba-shop.de/anlagen-design-journal/

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