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Das Wagenkarten-/Frachtbriefsystem
#1 Das Wagenkarten-/Frachtbriefsystem
Das Wagenkarten-/Frachtbriefsystem ist nur eins von vielen Systemen zur Organisation des Güterwagenumlaufs auf Modellbahnanlagen, aber es ist schon seit 1961, also fast ein halbes Jahrhundert in Gebrauch und hatte viele Fortschreibungen und Varianten erfahren.
In diesem Forum wurden bereits einige Vor- und Nachteile aufgezeigt. Andere Systeme haben andere vor- und andere Nachteile. Ich möchte aber dieses Wagenkarten-/Frachtbriefsystem einmal genauer darstellen und konnte von Ivo Cordes die Genehmigung zum "Nachdruck" seines Grundsatzartikels in Hp 1-Modellbahn Nr.1/1981 erwirken.
Wiewohl das System als solches unverändert gültig ist, ist der Text auch als Zeitdokument zu lesen, verrät er doch einiges über die Entwicklung des Modellbahnwesens in den Achtzigerjahren.
Hier nun also der Originalartikel von Ivo Cordes von 1981:
Nachdem der rührige Initiator unseres kleinen Kreises des öfteren in den vergangenen "Rundbriefen" auf meine Ausführungen im "eisenbahn-magazin" 4/80 bezüglich des Güterwagenumlaufs hingewiesen hat, - für mich natürlich sehr schmeichel¬haft - ist es sicherlich einmal an der Zeit, daß ich mich nochmals in diesem Organ diesem hier ja erfreulich zentral gestellten Thema zuwende Seit jenem em-Artikel konnte ich - wieder dank OOK, infolge praktischer Übungen auf seiner Anlage und der Einsichtnahme in seine Bibliothek meinen Erfahrungs- und Kenntnisstand zu diesem Thema noch etwas erweitern.
Ich denke, daß mein Erfahrungsbericht samt einiger ergänzender Randnotizen für Einsteiger in solche Umlaufsysteme, aber auch für Zauderer von Interesse sein dürfte. Ich muß gestehen, daß ich eigentlich ein blutiger "Ohrensessel-Modellbahner" bin - daher war es für mich eine Befriedigung und Erleichterung festzustellen, daß das ganze Verfahren wirklich funktionierte, und das ohne nennenswerte Macken! An Otto Kurbjuweit darf ich hier einmal öffentlich das Kompliment loslassen, daß er seine Felsentalbahn auch ganz hervorragend für einen betriebsorientierten "Spiel"-Ablauf konzipiert hat. Daß sie auch einige gestalterische Meriten hat davon wird sich gewiß der eine oder andere aus unserem Kreis schon überzeugt haben!
Für die folgenden Erörterungen darf ich wohl die von mir in "em" beschriebene Grundausführung der Wagenkarten und Frachtzettel als bekannt voraussetzen. Ich halte den dort aufgezeigten Zuschnitt nach wie vor für optimal, wenngleich die Anbringung der transparenten Zetteltasche auf der Wagenkarte fertigungstechnische Probleme aufwirft. OOK konnte diese Probleme weitestgehend umgehen, indem er die Wagenkarte mit der langen Kante vertikal ausführte und die Zetteltasche auf die untere Kartenhälfte klebte, Zur leichteren Auswechslung der Frachtzettel hat die Tasche eine nach außen gebogene Lippe. Leider tragen diese Lippen bei gebündelten Kartenstapeln sehr auf und behindern ein Voreinanderstecken.
Gegenüber diesem kleinen Minus hatte OOK aber eine glorreiche Idee: Er versah einfach jede Wagenkarte mit einem Katalogbild des betreffenden Wagens; eventuelle Unterscheidungsmerkmale von sonst baugleichen Waggons (Dachflickencode, Verschmutzungen etc.) sind dann auch in diese Bildchen übertragen worden. Auch die Nennung des Herstellers trägt ein Gutteil zur schnellen Identifizierung eines Fahrzeuges bei - mein allein auf Gattungsbezeichnung und evtl. Codes beschränktes Verfahren ist dem hoffnungslos unterlegen. Die Gattungskennzeichen müssen aber trotzdem für eine sinnvolle Zuordnung der Frachtzettel beibehalten werden.
Es hat sich gezeigt, daß ein so aufwendiges, "ehrenwertherweise"1 als Rangierbüro glorifiziertes Ablageregal für die Wagenkarten für die auf Heimanlagen gängigen Stationsgrößen unnötig ist. Otto Kurbjuweit hat dieses Regal auf ein schmales Kästchen mit drei Fächern reduziert, in deren eines die Wagenkarten bei Eingang eines Waggons gesteckt werden, von wo aus sie beim "Frachtzettel-Tausch-Termin" (FTT) in eins der anderen wandern, welche jeweils für eine Abfuhrrichtung maßgebend sind, (Für eine Station mit mehr als zwei Abfuhrrichtungen müßte man natürlich entsprechend weitere Ausgangsfächer vorsehen, Kenner der amerikanischen Praxis werden hier eine gewisse Verwandtschaft zu den dreigefächerten "setout -hold -pickup " (Eingang -Festhalten -Ausgang)-Aufbewahrungskästchen sehen.
Ich bin seinerzeit mit der Anregung eines "FTT" von der amerikanischen Praxis abgerückt, wonach bei jeder Durchfahrt eines Güterzuges durch eine Station die in den Kästchen lagernden Karten eine Stelle nach rechts rücken (also ein soeben eingegangener Wagen nicht sofort vom nächsten Güterzug wieder abgeholt wird, sondern in der "hold"-Position eine weitere Zugfahrt abwarten muß). Bei den in der europäischen Praxis üblichen häufigen Güterzugfahrten wäre solcherart der Güterwagenumlauf immer noch zu hektisch.
Pro den jeweils einen Betriebstag repräsentierenden "Modellbahnsitzungen" nimmt OOK nur einen "FTT" vor, und zwar unmittelbar nach Betriebsschluß um "0-Uhr-nachts"
Diese "FTT"-Frequenz ist völlig ausreichend (ich hatte derzeit noch einen weiteren "FTT" um "12-Uhr-mittags" vorgesehen); zudem hat diese Nachbereitung etwas sehr Versöhnliches an sich: Man liest anhand der ausgewechselten Frachtzettel das in der mitunter hektischen Betriebsphase Geleistete ab. Man sieht, daß man wirklich etwas geschafft hat, ein Eindruck, der bei vielen beruflichen Tätigkeiten heutzutage mehr und mehr verloren geht. Eins muß OOKs "innerem Baurottenführer" aber ins Auftragsbuch geschrieben werden: Die Schaffung gesonderter langer Abstellborde für die Auffächerung der Wagenkarten beim Rangiervorgang. Bislang weiß man nämlich nicht, wohin mit ihnen und legt sie irgendwo im Bahnhofsgelände, womöglich sogar auf einer vorbeiführenden Strecke ab, wodurch bereits schon einmal eine Lok zum Absturz gebracht wurde!
Ich denke, man sollte unter ambitionierten Modellbahnern auch ein wenig die Namen derjenigen hochhalten, die dieses Hobby von der weihnachtsbaumumkreisenden Gaudi erst zu dem gemacht haben, was es heute wirklich sein kann: Das vollkommenste realitätssimulierende Spiel mit maßstäblich verkleinerten Nachbildungen aus der Wirklichkeit! - Und ich lasse mir den Ausdruck "Spiel" nicht abhandeln, es sei denn von jenen Museumswärtern in Nürnberg oder München, die dort die Schauanlagen in Bewegung halten müssen, Also zu der Entwicklung der Umlaufsysteme und der Männer, die dahinter stehen. Es können naturgemäß nur Namen aus der amerkanischen Modellbahnszene genannt werden.
In der Urvater-Position steht beim "card-Order-System" wie bei so vielen anderen stattgehabten Entwicklungen der Name Frank Ellison, der bereits in den frühen Dreißigern mit seinen "Delta-Lines" eine realitätsbezogene point-to-point Konfiguration, aufgabenteiligen Partnerschaftsbetrieb, fahrplanabhängige Zugbewegungen etc. verwirklichte Bei ihm gaben die Dispatcher nach eigenem Gutdünken eine Anzahl von Fahraufträgen an die Conductors, welche bestimmten Güterwagen zwischen welchen Orten zu bewegen waren. Dieses System war zwar noch ziemlich mit dem Moment persönlicher Willkür behaftet, für die eigentlichen Ausführenden der Rangierbewegungen stellte sich der Fahrbefehl aber durchaus als Anweisung "von höherer Warte" dar.
Soweit Ivo Cordes. Im zweiten Teil seines damaligen Beitrages stellt er noch ganz kurz andere Systeme vor, das werde ich dann zu gegebener Zeit in eine besonderes Thema einstellen. In diesem Thread (Fred) wollen wir bitte nur das Wagenkarten-/Frachtbriefsystem diskutieren, für andere Systeme können gern weitere Freds eröffnet werden.
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1auf den em-Artikel erschien eine negative Leserstimme durch einen gewissen Ehrenwerth
Hallo zusammen,
ich habe mal eine Literaturrecherche durchgeführt und mal Ivo Cordes Grundlagenartikel gelistet:
Eisenbahn Magazin (EM), 4/80, ab Seite 54, Güterwagen in Umlauf gebracht, Vorstellung Wagenkarten/Frachtzettelsystem
EM 2/83, ab Seite 60, Spielen mit Sinn (1), Modellbahnen glaubhaft bewegt
EM 3/83, ab Seite 60, Spielen mit Sinn (2), Über den Rand hinaus....
EM 5/83, ab Seite 58, Spielen mit Sinn (3), Vom Fahren und Kuppeln
EM 6/83, ab Seite 56, Spielen mit Sinn (4), Züge nach nah und fern
EM 9/83, ab Seite 66, Spielen mit Sinn (5), Drei Wege zum Ziel
EM 10/83, ab Seite 62, Spielen mit Sinn (6), Rangieren mit System
EM 3/84, ab Seite 81, Spielen mit Sinn (7), Jetzt geht's rund
EM 6/84, ab Seite 80, Spielen mit Sinn (8), Planspiele
EM 8/84, ab Seite 67, Spielen mit Sinn (9), Fahren im Team
Zur Ergänzung die Umsetzung der Artikelserie:
EM 5/85, ab Seite 84, Johannes Auerbacher: Schmalspur-Konzept, Spielen mit Sinn auf kleiner Fläche (1)
EM 6/85, ab Seite 77, Johannes Auerbacher: Schmalspur-Konzept, Spielen mit Sinn auf kleiner Fläche (2)
Gruß Hubert
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