Design und Kunst

19.06.2009 22:31 (zuletzt bearbeitet: 27.08.2015 20:25)
avatar  Nico2
#1 Design und Kunst
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„Au weia!“ dachte ich, als ich neulich friedlich und nichtsahnend durch das Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte schlenderte und auf folgendes Zitat von Kurt Weidemann stieß (von Beruf Grafikdesign-Professor – hat der nicht auch den neuen DBAG-„Keks“ entworfen?...):

„Design ist nicht Kunst. Design ist auch nicht Kunst, die sich nützlich macht.
Design braucht reichlich Objektivität, Kunst ist subjektiv.
Design schließt intelligente Kompromisse, Kunst schließt sie aus.
Design ist auf das Machbare ausgerichtet, Kunst auf Utopie.
Design muss begreifbar und verständlich sein, Kunst nicht.“

Da hat aber jemand ein sehr eingeschränktes Kunstverständnis, findet ihr nicht?
Für unser Forum hier müsste die Frage eigentlich lauten: Kann man mit gutem Design Kunst erstellen? Würde Herr Weidemann das wohl auch verneinen?

Vielleicht ein wenig zu philosophisch, ich wollte euch das nur nicht vorenthalten – schon interessant, wo man überall etwas entdeckt, wenn man an diesem Forum teilhat , .

Gruß Nico


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20.06.2009 08:43
avatar  OOK
#2 RE: Design und Kunst
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OOK

Sehr bedenkenswert, nur kann ich mich gerade nicht darauf einlassen, denn heute ist BAE-Bautag. Aber vielleicht reden wir ja beim Tee darüber ....

OOK
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20.06.2009 13:14 (zuletzt bearbeitet: 27.08.2015 20:24)
avatar  fgee
#3 RE: Design und Kunst
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Kurt Weidemann weitergedacht: Eine Modelleisenbahn wird designt, dennoch ist das Ergebnis Kunst... ,
Noch einer zum Nachdenken, gerade auch für Modelleisenbahnen:

Kunst besteht im Weglassen.

Felix


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21.06.2009 15:31 (zuletzt bearbeitet: 21.06.2009 15:36)
avatar  HFy
#4 RE: Design und Kunst
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HFy

Der neue Keks ist wirklich ein Kompromiß, aber ist er intelligent?
Das erste DB-Emblem stammte übrigens von Eduard Ege (1893-1978), der auch das Bayerische Staatswappen entworfen hat.

Herbert


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21.06.2009 20:03 (zuletzt bearbeitet: 27.10.2012 09:52)
avatar  OOK
#5 RE: Design und Kunst
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OOK

„Design ist nicht Kunst. Design ist auch nicht Kunst, die sich nützlich macht.
Design braucht reichlich Objektivität, Kunst ist subjektiv.
Design schließt intelligente Kompromisse, Kunst schließt sie aus.
Design ist auf das Machbare ausgerichtet, Kunst auf Utopie.
Design muss begreifbar und verständlich sein, Kunst nicht.“
Kurt Weidemann


Zitat von Nico2
Für unser Forum hier müsste die Frage eigentlich lauten: Kann man mit gutem Design Kunst erstellen?



Ich habe im Grunde kein Problem mit den Abgerenzungsthesen von Kurt Weidemann. Beim jeweils zweiten Teil, wo er etwas über Kunst sagt, habe ich eher mal ein Fragezeichen. Auch Kunst schließt Kompromisse, etwa wenn es um Anpassung an finanzielle Limits oder an die bestellte Rahmengröße eines Bildes geht. Und solange Kunst gemacht wird, ist sie wohl auch machbar.
Wenn ich mich aber auf den jeweils ersten Teil, also das, was er über Design sagt, konzentriere, finde ich das richtig gut. Vereinfacht ausgedrückt: Design muss machbar und begreifbar sein und sich an den Realitäten orientieren. Ein wundervoller Grund-Satz auch für Modellbahn-Anlagen-Design.

OOK
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22.06.2009 21:49
avatar  Nico2
#6 RE: Design und Kunst
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Zitat von OOK

Ich habe im Grunde kein Problem mit den Abgerenzungsthesen von Kurt Weidemann. Beim jeweils zweiten Teil, wo er etwas über Kunst sagt, habe ich eher mal ein Fragezeichen.

Stimmt, mit den Aussagen über Design habe ich auch keine Probleme.
Nur die Sache mit der Kunst... wenn ich durch das Design-Museum in der Zeche Zollverein in Essen gehe, ist bestimmt nicht jedes Ausstellungsstück ein Kunstwerk. Einen Platz findet hier, was Funktionalität mit Ästhetik besonders gekonnt verbindet – vereinfacht gesagt. Aber das zu erreichen, ist auch schon eine Kunst - oder vielleicht eher eine Kunstfertigkeit?

Gruß Nico


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05.08.2009 10:40
#7 RE: Design und Kunst
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Das Thema ist mir immer wieder durch den Kopf gegangen, da ich beruflich hin und wieder auch mal mit Künstlern zu tun habe.

Die Aussagen über Kunst von Kurt Weidemann würde ich so verstehen, dass sich Kunst nicht "einsperren" lässt. Kunst ist Frei, immer etwas individuelles, kennt keine Grenzen, kein "so ist es richtig". In Gedanken ist alles vorstellbar, auch das nicht Machbare.

Wenn nun der Künstler seine Kunst in die Realität umsetzen will, dann muß er sich Gedanken machen, was davon reel umsetzbar ist: der zur Verfügung stehende Platz, die Materialien, Statik etc. Aber dass was dann rauskommt ist Kunst.

Bei der Modellbahn könnte man sich in der Fantasie auch eine zur Verfügung stehende Fläche von 1000 x 1000 Metern vorstellen. Was man da alles machen könnte...

Nun muss sich der Modellbahnkünstler oder -designer ja auch Gedanken machen, wie man die freien Gedanken an altbekannten Zwänge des Modellbahnerdaseins anpassen kann: Platz, Geld, Zeit....

Wird dann so gesehen auch ein Kunstwerk gestaltet???


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06.09.2009 20:46
avatar  Ingrid
#8 RE: Design und Kunst
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Nach meiner Meinung ist es wahrscheinlich fast immer so, dass freie Kunst sich auch nach Gegebenheiten richten muss, sei es bei einer Modellbahn oder anderswo.
Vielleicht kann gerade dann ein Künstler zeigen, wie kreativ er ist, wenn er mit Hilfe von unbedingt nötigen Kompromissen etwas Besonderes erschafft. Einfach sozusagen etwas verwirklichen zu können ohne Einschränkungen, verlangt bestimmt nicht höchsten Einsatz ab, gerade den künstlerischen. Und ich denke, gerade durch viele sogenannte Notlösungen und besondere Anstrengungen ist schon so manches Überraschende herausgekommen.
Schön ist es für mich, immer wieder zu erleben, wie in meinem Modellbahn-Club Kreativität sofort da ist. Kaum bin ich mit diesen Club-Kollegen in einem Garten mit einem kleinen Hügel, geht es schon los: "Da könnte man sofort eine Zahnrad-Bahn dafür bauen und einiges hinzufügen" und so geht es weiter.
Das finde ich toll, wenn ein Hobby sehr inspiriert, kenne ich das doch selbst aus meinen Musiktätigkeiten. Dann ist man mit Leib und Seele dabei und die Modellbahner sind schon ein besonderes Völkchen. Ich verstehe voll ihre Begeisterung.

Viele Grüße
Ingrid


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07.09.2009 00:58 (zuletzt bearbeitet: 27.08.2015 20:28)
avatar  Chris
#9 RE: Design und Kunst
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Hallo Bocklbahn,

Deine Äußerung:


Bei der Modellbahn könnte man sich in der Fantasie auch eine zur Verfügung stehende Fläche von 1000 x 1000 Metern vorstellen. Was man da alles machen könnte...
ist mir nachgegangen, weil Du hier Fantasie und Modellbahn in einem Atemzug erwähnst.

Fantasie würde für mich im Zusammenhang mit Modellbahn bedeuten, dass die realisierte Modellbahnanlage - so groß oder so klein sie sein mag - eingebettet ist in eine sie nahtlos umgebende (Modell-)Welt und daher in ihren Betriebsabläufen über die Begrenzungen der Anlagenkante hinausgeht.
Und die Modellbahn so zu designen, dass die Symbiose aus sichtbarer Realität und angenommener Modellwelt einen optimalen "Spielwert" hat, ist dann die Kunst!

Chris


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27.10.2012 09:56
avatar  OOK
#10 RE: Design und Kunst
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OOK

Zitat von Ingrid im Beitrag #8
Vielleicht kann gerade dann ein Künstler zeigen, wie kreativ er ist, wenn er mit Hilfe von unbedingt nötigen Kompromissen etwas Besonderes erschafft. Einfach sozusagen etwas verwirklichen zu können ohne Einschränkungen, verlangt bestimmt nicht höchsten Einsatz ab, gerade den künstlerischen.

Das genau ist der Grund, warum ich die Brandelschen Werke als ungeeignete Vorbilder für den gemeinen Modellbahner ansehe.

OOK
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26.12.2019 14:58
avatar  Leartin
#11 RE: Design und Kunst
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(Totengräberei Archäologische Ausgrabungen sind doch hier kein Vergehen, oder?)

'Kunst' ist einer dieser Begriffe, bei dem es nicht unbedingt sinnvoll ist, eine allgemeingültige Definition anzustreben. Vielmehr wird man je nach Diskurs eine dem Kontext entsprechende Definition postulieren, die auch nur dort nützlich ist, einfach, um keine leeren Begriffe zu verwenden.
Wendet man aber die Definition des Herrn Weidemann im Alltag an, sieht man schnell, dass diese unbrauchbar ist. Inwiefern ist etwa Michelangelos "David" subjektiv, utopisch, unverständlich oder kompromisslos? Hätte ein Designer ihn anders gestaltet? Dargestellt wird - ganz objektiv und so realistisch wie möglich ein Mensch. Dieser ist - Mit Stein und Schleuder - als David begreifbar. Und wer glaubt, bei dem Versuch, eine derartige Statue aus einem Marmorblock zu hauen müsste man sich nicht auf die Vorgaben durch den Stein, die Machbarkeit konzentrieren und dafür Kompromisse eingehen...
Der dargestellte David ist zudem perspektivisch verzerrt, weil er ursprünglich nur aus der Entfernung von unten sichtbar gewesen wäre. Es wurden also auch der Anwendung entsprechende Entscheidungen getroffen, nicht anders, als würde man einen Bratpfannengriff so designen, dass er in eine menschliche Hand passt. Geht man streng nach der gegebenen Definition stellt man also fest, dass das, was man gemeinhin als 'bildende Kunst' kennt, hauptsächlich Design wäre. Kunst der Definition entsprechend gäbe es erst in der Moderne - Impressionismus, Expressionismus, Kubismus, Dadaismus - geht also in die Richtung, wo jemand im Museum steht und sich am Kopf kratzt, weil er nicht versteht, was er da vor sich hat.

Obwohl es den Design-Begriff zumindest in deutscher Sprache noch nicht so lange gibt, ist "Disegno" ein Begriff aus der Kunsttheorie und meint die Idee bzw. den Entwurf. Disegno trennt den Künstler vom Handwerker, ist die geistige Schöpfung, während der Handwerker 'nur' die manuelle Arbeit erledigt. Aber vor 500 Jahren war es noch unmöglich, bloß 'Designer' zu sein, der Künstler musste trotzdem noch sein Handwerk beherrschen - Malerei, Bildhauerei etc. Durch den Fortschritt unserer Zeit änderte sich das,
Ein Designer muss kein Handwerk mehr beherrschen, sondern kann sein 'Werk' in Form von Instruktionen an die Produktion weitergeben. Ein Extrembeispiel wäre ein CAD-Design, welches dann vom Computer via CNC-Maschine umgesetzt würde, so dass ein fertiger Gebrauchsgegenstand aus einem Material entsteht, das der Designer nie angefasst hat. Kurt Weidemann war auch Typograph und erstellte Schriften, musst aber bestimmt nie Glyphen in Bleiblöckchen schnitzen. Mal abgesehen davon, dass es schon den Photosatz gab, wäre diese Aufgabe an einen 'Handwerker' übergeben worden.
Für einen Künstler gelten etwas andere Regeln. Auch der Künstler muss kein Handwerk mehr beherrschen, die Ideen sind das Hauptaugenmerk. Das wird insbesondere in der Konzeptkunst deutlich, aber auch zB. durch Duchamps "Fontäne". Eine an die Wand geklebte Banane wäre regelmäßig ausgetauscht worden, das "Ding" ist ersetzbar, nur die Idee bleibt. Bloß ist es für den allgemeinen Betrachter völlig unverständlich, unter anderem, weil der handwerkliche Aspekt fehlt. "Könnte mein Enkel auch" - ja, freilich, und mit dem Schwert hätte jeder den gordischen Knoten lösen können, und das Ei des Kolumbus ist auch einfach, wenn man den Trick kennt. Aber im Gegensatz zum Design, welches ein klares Ziel verfolgt, steht die Idee bei der modernen Kunst lose im Raum und ist interpretierbar. Gerade dadurch trifft Kunst für sich eine Aussage, welche dem Design fehlt. Wenn man nicht mit diesem Bewusstsein an die Sache herangeht, kann man schwerlich Kunst erschaffen, es braucht also gewissermaßen ein Selbstverständnis als Künstler dafür.


Ich bezweifle ehrlich gesagt, dass Modellbauer mit ihren Anlagen gemeinhin eine Aussage treffen wollen und gezielt ein Kunstwerk herstellen. Künstler mögen Modelleisenbahnen verwenden, aber das Ergebnis wäre nicht vorbildgerecht - ich sah zB. eine Installation, bei der die Bahn selbst nicht sichtbar war, aber im dunklen Raum das einzige Licht abgab und so die Landschaft als Schatten an die Wand warf. Ich halte es aber absolut für möglich, den künstlerischen Aspekt in einer Bahn für vorbildgerechten Betrieb einzubinden, insbesondere im Sinne der Performancekunst. Beispielsweise könnte ich mir eine Anlage vorstellen, welche in einer Performance über 12 Stunden durch die Bahnepochen wandert. Dabei könnten Elemente der Anlage im Betrieb ausgetauscht werden, zB. Bahnhofsgebäude modernisiert, eine Abkürzung durch einen Tunnel geöffnet und die Haltestelle an der Umfahrung aufgelöst und abgerissen, sowie Industriegebäude geöffnet und geschlossen werden. Über Zeit würde der Güterverkehr und der dabei nötige Rangieraufwand abschwächen, Wendezüge machen ein umsetzen der Lok obsolet, und gegen Ende verlassen die letzten Zugführer die Anlage, da die Züge vom Computer gesteuert werden. Dann, wenn kein 'Personal' mehr zugegen ist und die Züge von selber fahren, wird irgendwo einprogrammiert dass zwei Züge in voller Fahrt frontal aufeinanderprallen, das Licht in der Halle geht aus und die Performance endet. Für mich klingt das nach typischer Performancekunst, aber die Anlage selbst wäre - neben vielen zusätzlichen Problemen, die man lösen müsste - auch eine Anlage für vorbildgerechten Modellbahnbetrieb.

Eine andere Idee wäre es, den künstlerischen Aspekt durch das gewählte Thema zu verwirklichen. Wenn auf einer Anlage genannt "Deutschland 2033" eine moderne Lok graue Viehwägen beim Bahnhof Dachau absetzt, diese in ein 'Fabrikgebäude' rangiert werden und anschließend der Rauchgenerator im Schlot eingeschaltet wird, womöglich mit Soundkulisse, kann es nur Kunst sein. Panzer, Waffen und Munition, sowie dafür benötigtes Material werden auf der Anlage transportiert. Irgendwo im Hintergrund wird im Freilichtkino ein Werbevideo der AFDAP gezeigt. Der vorbildgerechte Ablauf des Güterverkehrs kann wie gewohnt durchgespielt werden, die Kunst beißt sich nicht mit dem Designaspekt. (Soll jetzt kein politisches Thema für dieses Forum aufgreifen, sondern bloß als leicht erkennbares Beispiel dienen, weil sich mögliche Interpretationen schon aus der Beschreibung ergeben - egal, wie man dazu steht.)


"Kann man mit gutem Design Kunst erstellen?" - Nein, aber man kann Kunst mit gutem Design erstellen.

~Leartin


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