4.2- der Gleisplan

15.05.2008 20:53
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#1 4.2- der Gleisplan
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HFy

Wenn man einen Gleisplan maßstäblich zeichnet, kommt die Stunde
der Wahrheit. Hoffentlich, sonst kommt sie beim Bau!

Der Maßstab eines Gleisplans ist oft nicht auf den ersten Blick zu
erkennen, weil der Eindruck sehr von den Kurvenradien und den
Gleisabständen abhängt. Am besten zeichnet man ein Metermaß mit ein.
Besonders übel war es früher bei der Miba, die gab nur den Maßstab des
Plans an, und in einigen Fällen, die ich überprüft habe, stimmte er nicht!
Gestimmt hat er höchsten bei denen, die ich nicht überprüft habe.

Die betrieblichen Möglichkeiten eines Anlagenplans kann man zwar aus dem
Gleisplan selbst eruieren, aber wie die fertige Anlage letztlich aussieht,
ist oft schwer zu beurteilen, weil man den Gleisplan aus einer ganz anderen
Perspektive betrachtet als später die Anlage.

Solche Hindernisse wie Lichtschalter, Heizungsventile etc. müssen bei der
Planung auch berücksichtigt werden.

Es wird immer wieder empfohlen, Bahnhöfe in Kurven zu verlegen. Das
verlangt in der Breite aber oft etwas mehr Platz, und außerdem vermeidet
das Vorbild, wenn es geht, gebogene Gleise wegen der Schwierigkeiten bei
der Zugabfertigung. Daher sind zumindest gerade Bahnsteige in der Überzahl.
Gebogene Bahnhöfe sehen allerdings besser aus, zumindest auf dem Papier

Gleistrassen über Heizkörpern, und das auch noch in geringem Abstand. Hei,
wie sich da die Gleise werfen!

Gleise, die man der Länge nach einsehen kann, erscheinen kürzer als solche,
die man von der Seite sieht. Sinngemäß gilt das auch für Bogenradien und
Weichenwinkel.

Der britische Modellbahner Gordon Gravett ist der (aus Erfahrung
gewonnenen) Ansicht, daß der sichtbare Teil einer Anlage mindestens dreimal
so lang sein sollte wie der längste Zug. Sonst könne der Eindruck
verlorengehen, daß der Zug irgendwo hinfahre.

Der WeWaWe-Grundsatz „lieber ein Gleis weniger“ wirkt sich nicht nur au f
das Erscheinungsbild einer Anlage, sondern auch auf den Bau- und
Unterhaltungsaufwand positiv aus.



Maßstäblichkeit vs. Verkürzung:

Deutsche Nebenbahn-Endbahnhöfe sind oft ziemlich ausgedehnt, vor allem
inPreußen und Baden. Eine Ausnahme ist Bayern, wo sie nur 250-300 m
lang sind; anderswo sind schon die Gleise so lang.

Vorbildgerechte Zuglängen sind im Modell oft schwer zu realisieren, sie
sind aber auch nicht nötig. Auf einen Blick kann man nur feststellen, ob
ein Zug ein, zwei, drei, mehrere oder viele Wagen hat, für jede genauere
Festlegung muß man zählen. Ob ein Zug lang oder kurz aussieht, hängt weit
mehr von der Größe der Anlage und damit von seiner relativen Länge als von
der absoluten Länge ab.

Züge müssen nicht lang sein, um wichtig zu sein. Einige besonders kurze
Schnellzüge: Gotthard-Pullman in den dreißiger Jahren: Vier Pullman-Wagen +
Packwagen, Amsterdam-Genova werktags: drei Wagen+Packwagen (und zwar von
den fünfziger Jahren bis in die achtziger) Dompfeil in den fünziger Jahren:
drei Wagen, Paris-Bern über Pontarlier in den dreißiger Jahren: zwei
Vierachser und ein dreiachsiger Packwagen, Belfort-Bern in den sechziger
Jahren. ein Wagen! Dumm sieht natürlich ein Bahnhof an einer Hauptstrecke
aus, der nur Platz für drei Wagen bietet. Platz für zehn Wagen wird aber
nur dann gebraucht, wenn die Züge auch wirklich so lang sind.

Ein maßstäblich langer Modellbahnhof sieht nicht nur möglicherweise
ziemlich leer aus, sondern braucht auch viel Zeit beim Rangieren.

Der Platzbedarf eines Modellbahnhofs wird weniger durch die Länge
seinesVorbildes als vielmehr durch seine Komplexität bedingt. Eine
Weichenstraße hat im Modell mindestens die halbe Länge des Vorbilds, wenn
man keine allzu steilen Weichen verwenden will (auf einer 15°-Weiche sehen
auch kurze Wagen wie entgleist aus). Bei der eichsbahn verwendete man
hauptsächlich einen Weichenwinkel von 1:9, eine Modell-Weichenstraße hat bei
einerNeigung von 1:6 also 2/3 der Länge des Originals. Viele
Schmalspurbahnen verwendeten einen Winkel von 1:7, eine 12°-Weiche hat immer
noch 2/3 vonder Länge dieser Weichen. Demgegenüber kann man die Gleislänge
so weitk ürzen, wie es der Betrieb erlaubt. Die 750 m, auf die die
Bundesbahn die Überholgleise der Hauptabfuhrstrecken gebracht hat, wären in
H0 862 cm. Mi teinem Drittel der Länge sehen sie immer noch lang
aus.Außerdem kann man Gleise in einen beliebigen Bogen legen, solange de rMindestradius nicht unterschritten wird. Bei Weichenstraßen ist das nicht so
einfach, weil hier Winkel und Abzweigradien zu berücksichtigen sind.


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15.05.2008 23:45
#2 RE: 4.2- der Gleisplan
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Zitat von HFy
Ein maßstäblich langer Modellbahnhof sieht nicht nur möglicherweise
ziemlich leer aus, sondern braucht auch viel Zeit beim Rangieren.


Bei Planung und Bau meines Bahnhofs 'Gaarz' habe ich mich bemüht einigermaßen realistische Gleislängen hinzubekommen, die dem Auge schmeicheln. Und genau da begann Ottos Kritik, nämlich dass die Gleislängen für den Rangierbetrieb doch zu lang seien. Nun ist es so, dass auf meiner Anlage der Bhf. 'Gaarz-Altewiek' in viel zu kurzem Abstand zu 'Gaarz' liegt (was durch kürzere Gleislängen etwas hätte entschärft werden können), aber der bindegestrichte Doppelname deutet schon darauf hin, dass sich die Stationen geografisch sehr nahe kommen ('Altewiek' stellt den zugehörigen Hafenanschluss von 'Gaarz' dar). Worauf ich hinaus will: Die Zeit zum Rangieren muss in irgendeinem vernünftigem Verhältnis zu der Zeit des reinen Fahrens stehen, nur in welchem? Da können Modellbahnuhr-Geschädigte und Fremo-Erfahrene bestimmt was berichten. Da bei mir jenseits der genannte Stationen nur noch der Fiddle wartet, scheint mir das Problem vernachlässigbar; es tritt wohl bei Zunahme von Strecke und Stationen deutlicher auf...
Ich war bei einigen Halbnull-PURisten immer bass erstaunt, wenn mit immensen Aufwand ein möglichst maßstäbliches Rad-Schiene-System aufgestellt wurde, bei den Längen der Anlagen (wenn es dazu je kam) wurde aber wieder gestaucht (Abstände der Bahnhöfe zueinander, Gleislängen, Bahnsteiglängen...)
Nicht nur die MIBA postulierte - wie ich immer noch finde: zu Recht! - stets, die Parameter der zukünftigen Anlage in Verhältnis zu den geplanten Zuggarnituren zu setzen. Reicht es nicht für anständig großzügige Radien, darf man halt keine maßstäblichen Schnellzugwagen einsetzen, dann verbietet sich manches 'große' Thema wieder von selbst. Umgekehrt wirkt eine V100 mit einer Garnitur Umbau-Dreiachser auf entsprechend großzügig geplanter Anlage eben besser (damit meine ich das Vermeiden von Gleisanhäufungen: lieber weniger Gleis, dafür größere Radien, schlankere, aber weniger Weichen, bescheidenere Bahnhöfe und Anschlüsse...)
Bei der Gleislängendisskussion gibt es neben der Betrieblichkeit noch einen weiteren Aspekt: wieviel Maßstäblichkeit kann unser Auge in der Miniatur überhaupt als vorbildrichtig erkennen? Es ist halt was anderes, wenn ich in 1:1 über das Bahnhofsvorfeld auch nur einer kleinen Station zu schaue oder ich das 1:87 Modell in der maßstäblich korrekten Umsetzung betrachte. Hat das was mit Sehgewohnheiten zu tun? Erwarten wir im Modell stets die Verniedlichung, so dass wir mit dem 'Korrekten' nichts anzufangen wissen?
Ich finde ähnliche Phänomene auch in anderen Aspekten der Anlagengestaltung: es ist wohl für den Betrachter stimmiger ein einheitlich mittleres Niveau (was immer das ist) der Durchgestaltung zu betrachten (z.B. die ausschließliche Verwendung von Heki-Foliage-belaubter Meerschaumbäumchen) als das Durcheinander verschiedener Ambitionen (im Beispiel: der Silhouette-Solitär als Blickfang unter 'Flaschenputzern') - aber das ist schon ein neues Thema...

Gruß

Michael


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16.05.2008 07:52
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#3 RE: 4.2- der Gleisplan
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HFy

Bei unseren Vorbildern, wo sich die Vorbildgleislängen manchmal noch im zweistelligen Bereich bewegen, tritt das Problem nicht in derselben Dramatik auf wie etwa auf Hauptabfuhrstrecken, wo die Überholgleise 750 m lang sein müssen. Gerade beim Fahrplanbetrieb tritt aber ein Ungleichgewicht zwischen Fahr- und Rangierzeiten auf, und umso mehr, wenn der Bahnhof länger ist als die Strecke. Sogar im dichtbesiedelten Rheinland können Bahnhöfe schon mal fünf Kilometer und mehr auseinander liegen, wobei ein kleiner Bahnhof an einer Hauptbahn um einen Kilometer lang ist und an einer preußischen Nebenbahn etwa einen halben. Wie lang Vorbildbahnhöfe sind, kann man allerdings nur aus einer erhöhten Position feststellen; wenn man auf dem Bahnhof selber steht, dürfte es nicht möglich sein, seine Länge auch nur ungefähr zu bestimmen.
Auf den Nebenbahnen in meinem Beritt sind - oder waren - die Hauptgleise mindestens 300 m lang, da fällt es weiter nicht auf, wenn man im Modell etwas wegläßt, denn die vorbildmäßigen Züge aus V 100 und drei Silberlingen oder vier Umbauwagen passen immer noch bequem an den Bahnsteig, und bei Güterzügen kann man sowieso auf den ersten Blick nicht sehen, ob sie 12 oder 15 Wagen haben.
Fatal wird es nur, wenn man diese Bahnhöfe etwa auf halbe Länge stauchen wollte, denn dann würde der Wiedererkennungswert im selben Verhältnis abnehmen.

Herbert


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22.05.2008 10:27
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#4 RE: 4.2- der Gleisplan (zum Thema Betrachterposition)
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HFy

Nehmen wir einmal an, ein 185 cm großer Modellbahner stehe vor einem Fremo-H0-Modul (130 cm ü.F.). Seine Augenhöhe dürfte um die 175 cm betragen, also 45 cm über Schienenoberkante, was etwa 40 m in der Wirklichkeit entsprechen würde. Es kommt nicht häufig vor, daß man einen Bahnhof des Vorbilds aus dieser Höhe betrachten kann, entweder ist man näher dran oder weiter weg.

Herbert


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22.05.2008 14:00
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#5 RE: 4.2- der Gleisplan (zum Thema Länge)
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HFy

Wer suchet, der findet. Barry Norman schreibt in "Desiging a layout": "The site (Bishop's Castle) was long and narrow..... However, a scale model would be large and in many ways appear rather empty". Das, weil die Gebäude am Streckenende zusammengedrängelt waren. Daher leidet die Wiederkennbarkeit nicht, wenn man die Gleise sinnwahrend kürzt. Das gilt auch für manchen deutschen Nebenbahn-Endbahnhof, zum Beispiel waren die Endbahnhöfe im Rheinland oft 500 m lang oder noch länger, mit dem Empfangsgebäude und dem Güterschuppen am Ende, der Rest waren einfach nur lange Gleise.

Herbert


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26.05.2008 10:57
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#6 RE: 4.2- der Gleisplan (zum Thema Länge)
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HFy

Übersetzung: "Das Grundstück (Bahnhof Bishops Castle) war lang und schmal... ein maßstäbliches Modell wäre groß und würde in mancher Hinsicht ziemlich leer aussehen".


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29.05.2008 21:28
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#7 RE: 4.2- der Gleisplan
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OOK

In Antwort auf:
Hat das was mit Sehgewohnheiten zu tun? Erwarten wir im Modell stets die Verniedlichung, so dass wir mit dem 'Korrekten' nichts anzufangen wissen?

Das ist auf jeden Fall so. Das (von mir erbaute) allererste FREMOdul (H0) hatte einen Gleisradius von 4m. Diesen Luxus gönnte ich mir, nachdem ich auf der Felsentalbahn immer mit 50cm-Radien herumquetschen musste. Alle, die das Teil sahen, waren erschlagen von der vorbildhaften Wirkung des Riesenradius. Bis einer mal umrechnete: 4m in H0 x 87 = rund 350m. Das ist beim Vorbild der allerschärfste Radius für ein Anschlussgleis!

Beim allerersten FREMOdul 0m entsprach der Radius von 1,33m genau dem Mindestradius der Südharzbahn (60m). Nur wirkt dieser Radius im Modell durch unsere Sehgewohnheiten sehr weitläufig. Wenn man eine rassig enge Kurve haben will, muss man die korrekt ungerechneten Maße stark unterschreiten. Der auf der BAE angewandte Radius von 1m ist viel zu eng, wirkt aber "richtig". Oder sieht das jemand anders?

OOK
Heute schon in den ADJ-Blog geschaut?
https://www.jaffas-moba-shop.de/anlagen-design-journal/

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29.05.2008 22:11
avatar  HFy
#8 RE: 4.2- der Gleisplan
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HFy

Genaugenommen ist es wohl eine Frage der Betrachterposition. Bei Schmalspurbahnen haben wir es einfacher, weil hier sehr enge Kurven vorkamen. Es gab - und gibt - übrigens Normalspurbahnen mit geringeren Radien als 180 m für Neben- und 300 m für Hauptbahnen; ganz einfach, weil sie älter sind als die EBO, die diese Werte vorschreibt.

Herbert


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03.06.2008 09:20
#9 RE: 4.2- der Gleisplan
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Hallo Otto,

kleiner Einspruch zu deiner 350m-Kurve: auf deutschen Normalspurigen Vollbahnen sind 350m nicht viel, aber schon ganz anständig. Die Standardweiche der DB (EW190) hatte 190m Radius im abzweigenden Strang; auf Hauptbahnen wurde sie gerne ersetzt durch Weichen mit 300m Radius, und die kann man im abzweigenden Strang schon recht zügig befahren. Die von dir zitierten Anschlussgleise hatten mitunter noch weniger, selbst ohne technische Spielereien wie Deutschlandkurve u. ä. Aber deiner grundsätzlichen Aussage stimme ich schon zu.

Sebastian


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