Ein paar Informationen und Bilder zu gekuppelten Weichen

26.12.2022 13:03 (zuletzt bearbeitet: 26.12.2022 14:47)
#1 Ein paar Informationen und Bilder zu gekuppelten Weichen
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Weil ich hier dazu gefragt worden bin ...

Prinzipiell kann man die Weichen einer Gleisverbindung miteinander kuppeln, d.h. mit einem Hebel bedienen. Der Vorteil ist natürlich die Einsparung eines Hebels; und da der Preis eines (Hebel-)Stellwerks, von der Hebelbank bis zum Stellwerksgebäude, ziemlich direkt von der Anzahl der Hebelplätze abhängt, versucht(e) man dort schon zu sparen. Die Nachteile der Kupplung sind, zusammengefasst:
* Bei Drahtriss ist es schwierig, in beiden Weichen die Wirkung der Drahtbruchsperre zu erreichen (die Drahtbruchsperre stellt sicher, dass sich eine Weiche bei gerissenem Draht nicht in eine unbestimmte Mittellage stellt, mit Gefahr einer Gabelfahrt bei der Fahrt gegen die Spitze).
* Beim Auffahren einer der Weichen ist es kaum möglich, bei der anderen den Spitzenverschluss einzuklinken, sodass auch in diesem Fall dort die Gefahr einer Gabelfahrt besteht.

Im Detail schreibt Eduard Scholkmann einiges Interessante dazu im vierten Abschnitt des "Eisenbahnbaus der Gegenwart" von 1901, und zwar auf den Seiten 920 bis 922 und 1153 bis 1155. Einen PDF-Scan dieses Buches kann man sich bei der Bibliothek der Technischen Universität Krakow unter https://repozytorium.biblos.pk.edu.pl/resources/39962 herunterladen.

Aus den Problemfällen ergibt sich umgekehrt, dass bei Weichen (a) mit Gestängeantrieb; oder (b) ohne auffahrbare Spitzenverschlüsse; oder (c) bei nahe einem Stellwerk liegenden Weichen (wo man nicht mit Drahtriss rechnet); oder auch (d) mit elektrischen Antrieben eine Kupplung (ziemlich) problemlos ist.

Tatsächlich gibt es für alle vier Fälle Beispiele - allerdings hab ich auf die Schnelle keine von deutschen Stellwerken gefunden. Ok, da habe ich nicht so viele Fotos; aber in D wurden schon früh, wie auch bei Scholkmann steht, etwa in ganz Preußen gekuppelte Weichen verboten (bei elektromechanischen Stellwerken waren sie dann natürlich erlaubt; aber die sind hier nicht so interessant, nehme ich an):

Ad (a): Weichen mit Gestängeantrieb werden typischerweise gekuppelt, etwa in ganz Großbritannien, dem Mutterland der Stellwerke, aber auch früher in der Schweiz. Hier ist ein Beispiel von einem "Crossover" im Bahnhof Wansford der Nene Valley Railway, einer größeren englischen Museumsbahn. In Großbritannien erhalten nicht die Weichen Nummern, sondern die Hebel; und die Außenanlagen werden mit den Hebelnummern identifiziert - hier heißen die beiden Weichen, die vom Hebel 43 gestellt werden, 43A und 43B, außerdem wird noch die Gleissperre 43C mitgestellt:





Vom Bieler Rangierbahnhof ist dieses Foto, auf dem man einen Hebel für die gekuppelten Weichen 25a und 26 sieht:



Am Gleisplan liegt diese Gleisverbindung fast direkt vor dem Stellwerk 2:



Eine ganze Reihe weiterer Hebel für gekuppelte Weichen findet man in meinen Postings über Schweizer Stellwerke und über britische Stellwerke.

Ad (b): Weichen mit alten, nicht auffahrbaren österreichischen 9SA-Antrieben wurden hin und wieder gekuppelt, wie z.B. im Bahnhof Göstling an der Ybbs der schmalspurigen Ybbsthalbahn die Weichen 2 und 3:



Ad (c) Beim Durchblättern durch meine Bilder habe ich einen Fall eines gekuppelten Weichenpaars gefunden, das mit Drahtzügen gestellt wurde und das in Hauptgleisen lag (also sicher Spitzenverschlüsse hatte), nämlich in Kreuzlingen in der Schweiz: Ganz links unten auf dem folgenden Bild sieht man, dass ein einziger Hebel sowohl die Weichen 9 und 10 wie auch zusätzlich noch eine Gleissperre bewegt hat! - also dieselbe Anordnung wie beim ersten Beispiel aus Wansford! Vermutlich war das akzeptabel, weil die Weichen nicht allzu weit weg vom Stellwerk lagen:



Ad (d): In elektromechanischen Stellwerken war die Kupplung von Weichenpaaren ebenfalls üblich, wobei dort die gekuppelten Weichen nacheinander umlaufen. Die volle Reversierfähigkeit (Zurücklaufen, wenn während des Umstellvorgangs der Weichenhebel zurückgelegt wird) ist in den Schaltplänen nur mehr mit viel Nachdenken zu verstehen. Hier sind einige Beispiele von verschiedenen Stellwerkstypen:

* 42733-Stellwerk in Wels Hbf:


* EM 55, österreichische Variante des Siemens-Typs 1912, in Wien Meidling:


* Spezieller Stellwerkstyp von Siemens für die Wiener Stadtbahn (aber auch die Berliner U-Bahn), hier im Bahnhof Michelbeuern:


* Ein Integra-Schalterwerk in Zug:


* Und zuletzt "mechanisch aussehende Hebel", die aber tatsächlich elektrische Weichenantriebe steuern, in Salez-Sennwald:


H.M.


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27.12.2022 10:01
#2 RE: Ein paar Informationen und Bilder zu gekuppelten Weichen
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Hallo Harald, für deine Recherchen. Das trägt zu meiner Beruhigung bei, denn auf meiner Anlage werden etliche Weichenpaare in Gleisverbindungen wie beschrieben gekuppelt. Die Weichen haben zwar getrennte Antriebe, werden aber durch ein Steuerungssignal bedient, was einem gemeinsamen Hebel entspricht. Dadurch hat eine solche Paarung im Verschlussplan nur eine Position, das vereinfacht den Verschlussplan doch erheblich.

Mit Hp1-Gruß - Helmut


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