Der Zugleiter: Lage und Ausstattung seines Arbeitsplatzes

04.05.2023 13:08
#1 Der Zugleiter: Lage und Ausstattung seines Arbeitsplatzes
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Hallo Leute.

Drüben bei der Diemeltalbahn schrieb Otto:

Zitat

Das wäre allerdings ganz untypisch und unrealistisch für den Zugleiter. Der sieht im Normalfall vom Betrieb gar nichts. Deshalb sitzt er ja auch bei der BAE eine Etage höher. Er hat seinen Bildfahrplan mit den Soll-Zeiten und Soll-Positionen der Züge und erfährt über die fernmündlichen Zugmeldungen die realen Zeiten und Positionen und trägt die in sein Belegblatt ein. Und wenn eine Fahranfrage kommt, trifft er seine Entscheidung auf Basis dieser Ist-Zustände.
Und genau durch dieses Hören statt Sehen ist die Funktion des Zugleiters die realistischste der ganzen Modellbahnerei. Er macht genau das, war ein 1:1 Zugleiter auch macht. Auf die gleiche Weise.


Das predigt uns Otto nun immer wieder, und meist stimmt das ja auch.

Extrembeispiel aus unseren Tagen sind da sicherlich die Billwerder Industriebahn und die ehemalige Bergedorf - Geesthachter Eisenbahn. Zusammengefasst als Güterbahnhof Hamburg Ost GIB sitzt der Zugleiter im Stellwerk Kaltenkirchen an der AKN-Stammstrecke, Luftlinie Kaltenkirchen - Geesthacht 50 km.

Aber wenn ich mal scharf nachdenke, fallen mir auch die beiden folgenden Beispiele ein:

Das hier ist zum Beispiel der Kabuff des Zugleiters für die heutzutage "Schwentinebahn" genannte Verbindung von Kiel Süd in den Ostuferhafen, sprich den Teil von "Hein Schönberg" der heute der Seehafen Kiel gehört.

Und ab hier sieht man ganz wunderschön das verwunschene Domizil des Zugleiters der Neukölln - Mittenwalder Eisenbahn im Bahnhof Teltowkanal.

Also, selbst wenn der Zugleiter auf der Anlage nicht alles sehen sollte, so darf er durchaus eine einzelne Betriebsstelle überblicken, und da fand ich Wolfgangs Idee mit der Webcam eigentlich ganz charmant.

Wenn man sich das Video aus Berlin noch ein paar Minuten länger anschaut, sieht man den Zugleiter sogar in Action. Was man auch sieht, ist eine weiße Tafel mit dem Gleisbild des Übergabebahnhofs Herrmannstraße, auf der einige Pfeile angebracht sind.
Ich vermute, daß dies die selbe Magnettafel ist, welche auch in der Örtlichen Richtlinie der Kleinbahn Suchsdorf - Kiel Wik erwähnt wird.
Mehr habe ich dazu aber noch nirgends finden können. Gibt es irgendwo Anweisungen oder mehr Informationen zu diesen ominösen Magnettafeln?

Gruß
Alex


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04.05.2023 15:43 (zuletzt bearbeitet: 04.05.2023 15:53)
#2 RE: Der Zugleiter: Lage und Ausstattung seines Arbeitsplatzes
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Also, Ottos Statement dass ein Zugleiter typischerweise vom Betrieb nichts sehe kann ich aus Vorbildsicht überhaupt nicht zustimmen.

In aller Regel hat(te) hat ein Zugleiter seinen Dienstsitz auf einem Bahnhof entlang der Zugleitstrecke, meist (nicht immer) ist er gleichzeitig Fahrdienstleiter dieses ("Zugleit-")Bahnhofes. Wenn er aus dem Fenster schaut sieht er Gleise und Züge (natürlich nicht die Zugleitstrecke in Gänze), sowohl bei der DB als auch bei den NE-Bahnen. Situationen in denen Zugleiter ganz ohne Sicht auf den Betrieb sitzen waren früher extrem ungewöhnlich. Erst in den 1990er Jahren mit der Bildung größerer Betriebszentralen und Übernahme immer größerer Zugleitbereiche durch einen Zugleiter wurde es gängig dass der Zugleiter "irgendwo", mitunter hunderte Kilometer von der Zugleitstrecke entfernt, sitzt.

Beim Nachspielen von Zugleitbetrieb auf der Modellbahn dient es zugegeben dem Realismus wenn der Zugleiter nicht im Anlagenraum sitzt, aber der typische Blick aus dem Stellwerksfenster auf die Gleisanlagen des eigenen Bahnhofs fehlt eben doch.

Auf meiner "Süsingbahn" befindet sich der Zugleiter theoretisch auf dem Stellwerk Msf im Bahnhof Munster-Süd. Tatsächlich sitzt er in meinem Arbeitszimmer am Schreibtisch - auch aus den genannten Überlegungen, aber vor allem da im Anlagenraum kein Platz für ihn wäre. Einen Ausblick auf den Bahnhof Munster-Süd bräuchte er betrieblich eigentlich nicht (DrS-Stellwerk mit Gleisfreimeldeanlage), aber für das richtige Feeling werde ich dennoch zwei Webcams installieren mit denen der Zugleiter genau das sieht was er auch beim Blick aus dem Stellwerksfenster auch sehen würde.


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04.05.2023 17:37
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#3 RE: Der Zugleiter: Lage und Ausstattung seines Arbeitsplatzes
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Da ich Sebastians Vorbildwissen als extrem hoch einschätze, denke ich, dass ich hier mal meine etwas einseitig eingefahrene Position relativieren sollte.
Andererseits: Wenn ich mir vorstelle, der Zugleiter der BAE wäre gleichzeitig auch Fdl in Sonnenberg, dann sehe ich reihenweise Fehlentscheidungen am Horizont. Denn beide Jobs nehmen jeder für sich die ganze Aufmerksamkeit und Konzentration des Akteurs in Anspruch. Also könnte der Zl z.B. Fdl in Schluft sein und dann per webcam diesen Bahnhof im Blick haben. Das würde meines Erachtens nur Sinn machen, wenn er dort auch die Fahrstraßen stellt.

OK, wie auch immer, das Problem dieser Diskussion ist, dass meine Ansichten auf langjähriger Praxiserfahrung fußen (Zl bei der BAE ist ein äußerst beliebter Job, eben weil er so realistisch ist) und Gegenmeinungen, selbst die von Sebastian, vorerst nur auf Überlegungen und Absichten fußen. Ich kenne auch in der ganzen deutschen Modellbahnliteratur und den Foren keine einzige Beschreibung eines tatsächlich auf einer Anlage agierenden Zl in Personalunion mit dem Fdl eines Bahnhofes. Wir hier in diesem Forum sind da natürlich wieder mal an vorderster Frontlinie und deshalb wünsche ich mir, dass hier so bald wie möglich ein solcher Bericht aus der Praxis erscheint, von wem auch immer.

Dirk (djue) hat ja angeregt, dass ich ein Buch über Modellbahnbetrieb schreiben sollte. Da müsste das auf jeden Fall mit hinein. Ich habe ihm aber gleich auf den Kopf zu gesagt: In dem Buch sollte nur praktisch Erprobtes stehen. Was man alles tun könnte, wenn man es denn tun würde, sollte da nicht hinein.
Gruß

Otto

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04.05.2023 18:41 (zuletzt bearbeitet: 04.05.2023 18:57)
#4 RE: Der Zugleiter: Lage und Ausstattung seines Arbeitsplatzes
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Hallo Otto,

ich denke wir meinen das gleiche, eventuell habe ich es missverständlich beschrieben, und kann auch keine "Gegenmeinung" erkennen. Meine Anmerkungen waren nicht so gemeint dass z. B. auf der BAE der Zugleiter nun noch einen Bahnhof mit übernehmen soll, das ist schon so wie es ist ganz gut. Wir können uns ja vorstellen dass sich sein Dienstsitz irgendwo im Direktionsgebäude der BAE befindet, das wäre für die damalige Zeit zwar nicht typisch, aber ohne Weiteres vorstellbar.

Aber um das bei meiner eigenen Anlage glattzuziehen hier nochmal der Lageplan der Süsingbahn:



Aus Vorbildsicht ist der Betrieb so organisiert: der Zugleiter sitzt im Bahnhof Munster-Süd. Dieser Bahnhof und die Strecke bis einschließlich Abzweigbahnhof Schatensen wird vom DrS-Stellwerk Msf aus direkt gesteuert - in diesem Bereich ist kein Zugleitbetrieb, der Zugleiter stellt Fahrstraßen ein, die Züge fahren nach Signalbegriffen ohne irgendwelche Meldungen.

Der restliche Streckenteil von Schatensen (ausschließlich) bis Bevensen wird im Zugleitbetrieb befahren, orchestriert ebenfalls vom Zugleiter in Munster-Süd: es gibt ortsgestellte (verschlossene) Weichen, Trapeztafeln und Fernsprecher über die Zuglaufmeldungen abgegeben werden. Diese Mischform repräsentiert die typische Betriebsabwicklung im OHE-Netz seit den 1960er Jahren.

Im Modell soll es möglichst genauso laufen. Idealerweise würde sich der Zugleiterarbeitsplatz auf der Anlage ebenfalls am Bahnhof Munster-Süd befinden, der Zugleiter hätte dann auf "seinen" Zugleitbahnhof den gleichen Blick den er beim Vorbild auch hätte. Das wäre für die Betriebsabwicklung in diesem Bahnhof genau richtig, für den Rest der Anlage aber katastrophal: er würde von seinem Platz optisch und akustisch wahrnehmen was auf dem Rest der Strecke passiert, wäre abgelenkt, könnte zu Schnellschüssen animiert werden (etwa einen Streckenabschnitt als frei registrieren obwohl er noch keine Ankunftsmeldung bekommen hat), und er und die Zugpersonale könnten per Zuruf kommunizieren, ohne Zwang und Motivation die vorgesehenen Fernsprecheinrichtungen zu benutzen - der Sinn des Spiels würde verloren gehen. Wer kennt noch den Film "Das Boot"? "Ich verlange ordentliche Meldungen!!!"

Daher (und auch weil im Anlagenraum kein Platz ist) sitzt der Zugleiter in der Abgeschiedenheit meines Arbeitszimmers. Die Bahnhöfe Munster-Süd und Schatensen steuert er mit einer PC-gestützten Emulation eines DrS-Stellwerkes, hier mal ein Screenshot wie er den Bahnhof Schatensen auf dem Bildschirm sieht:



Für die Zugleitstrecke ist es nicht anders als bei der BAE, der Zugleiter tauscht über Fernsprecher mit den Zugpersonalen Zuglaufmeldungen aus und trifft auf Grundlage des Bildfahrplans und der Einträge im Belegblatt seine Entscheidungen. Viel realistischer kann es eigentlich nicht laufen... Und mit den Webcams sieht er wirklich nur die Bahnhofsgleise von Munster-Süd, was auf dem Rest der Strecke passiert kann er weder sehen noch hören.

Richtig ist natürlich deine Anmerkung dass der Zlr hier eigentlich zwei Jobs macht: er steuert den Betriebsablauf auf der Strecke UND in einem großen, betriebsintensiven Bahnhof - aber das ist beim Vorbild auch nicht anders, die Zugleiter in Celle, Nordhausen-Nord, Bruchhausen-Vilsen oder Gammertingen tun das ja auch. Wobei, wenn man mit Modellzeit fährt, die Zeitverkürzung eine große Rolle spielt. Bei einem Zeitfaktor 1:6 oder noch schneller (die ich auch in der Rolle als Zugpersonal sehr unrealistisch empfinde) wäre das nicht händelbar - daher fährt die Süsingbahn mit 1:3, eine Modellstunde dauert reale 20 Minuten.

Viele Grüße,
Sebastian

P.S.: So ganz im Stadium der Überlegungen und Absichten ist das alles nicht mehr, im Probebetrieb (die Strecke ist bisher nur von Munster-Süd bis Hanstedt in Betrieb) funktioniert das ganz gut.
---


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04.05.2023 21:42
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#5 RE: Der Zugleiter: Lage und Ausstattung seines Arbeitsplatzes
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Zitat von Sebastian im Beitrag #4
in diesem Bahnhof genau richtig, für den Rest der Anlage aber katastrophal: er würde von seinem Platz optisch und akustisch wahrnehmen was auf dem Rest der Strecke passiert, wäre abgelenkt, könnte zu Schnellschüssen animiert werden (etwa einen Streckenabschnitt als frei registrieren obwohl er noch keine Ankunftsmeldung bekommen hat), und er und die Zugpersonale könnten per Zuruf kommunizieren, ohne Zwang und Motivation die vorgesehenen Fernsprecheinrichtungen zu benutzen - der Sinn des Spiels würde verloren gehen.

Jam genau das ging mit heute nachmittag auch durch den Kopf. Kennen wir ja von den ersten Probebetrieben der BAE II her: Wenn der Zugleiter hört, wo die Züge fahren und was sich die Personale erzählen, dann ist der ganze Realismus dahin.
Gruß

Otto

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04.05.2023 23:04
#6 RE: Der Zugleiter: Lage und Ausstattung seines Arbeitsplatzes
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Hallo liebe Mitstreiter,
die Webcam hatte ich mir als "Fenster" gedacht. Ohne Funktion. Der Zugleiter sieht nur und hört nicht's. Sozusagen als Trostpflaster, dafür das er alleine weggesperrt wird. Kurz gesagt: Ich möchte dadurch Freiwilligen den Job bei der DTB schmackhaft machen.

Hier in Warburg RBF könnte der Zugleiter hinter einem der Fenster im Stellwerk sitzen. Und wenn gerade mal kein Zug gemeldet wird, schaut er nach draußen und sieht das Ergebnis seiner Arbeit: Der telefonisch angekündigte Zug fährt tatsächlich ein.



Bis demnächst
Wolfgang


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05.05.2023 07:17
#7 RE: Der Zugleiter: Lage und Ausstattung seines Arbeitsplatzes
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Schuur Wolfgang,
schuur ihr Jonge,

die Idee hat Charme.

Aber bisher musste in meinem Umfeld noch kein Zugleiter überredet werden, den Job zu machen. Egal wo beim FREMO oder, wie Otto ja schon schrieb, bei der BAE ist Zugleiter immer eine "begehrter" Funktion.

Das "warum" haben wir ja auch schon herausgearbeitet: Diese Aufgabe ist beim Modellbahnspiel diejenige, die am allernächsten die Realität abbildet!

Grüße vom Exilsiegerländer aus Butzbach in der Wetterau

Hartmut


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05.05.2023 09:35 (zuletzt bearbeitet: 05.05.2023 10:17)
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#8 RE: Der Zugleiter: Lage und Ausstattung seines Arbeitsplatzes
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Zitat von Diemeltalbahner im Beitrag #6
Der Zugleiter sieht nur und hört nicht's. Sozusagen als Trostpflaster, dafür das er alleine weggesperrt wird. Kurz gesagt: Ich möchte dadurch Freiwilligen den Job bei der DTB schmackhaft machen.

Obwohl es schon mehrfach gesagt wurde, fühle ich mich befleißigt, es nochmal herauszustreichen: Diese Auffassung geht von der Annahme aus, dass der Zugleiterfunktion ein öder Job ist, zu dem man jemanden verdonnern muss. Möglichweise gibt es so langweilige Bahnen, wo das zutrifft.
Sebastian brachte noch den Faktor Zeitverkürzung in die Diskussion. Seeeehr wichtig: Bei der BAE ist es so, dass wir schon überlegt haben, dem Zl ein headset zu verpassen, weil er gar nicht so schnell den Hörer abnehmen kann wie er muss und zwischendurch Striche auf dem Belegblatt ziehen und prüfen, ob er eine Kreuzung verlegen muss etc.
Ich kann nur sagen: Macht es endlich, baut die Landschaft später, fahrt mit Zugleiter und probiert es aus.
Gruß

Otto

Edit: doofen Vertipper beseitigt.

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