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Nebenbahn und Zeche – Bau Hintergrundkulisse
#1 Nebenbahn und Zeche – Bau Hintergrundkulisse
Vom Bau meiner Anlage ein Bericht über die Hintergrundkulisse.
Über Modellbahner wird ja viel behauptet: sie seien Einzelgänger, sonderbar, manche sonderbare Einzelgänger, liefen mit Scheuklappen durch die Welt.
Um etwas Licht in die finsteren Keller und dunklen Dachböden zu bringen, in denen sich der Homo mibanicus zu verstecken pflegt, will ich heute den Sicht“behinderungs“klappen ein wenig zu ihrer wahren Bedeutung als Sicht“erweiterungs“klappen verhelfen.
Wohl noch niemand hat einen Bahnsteig betreten, der von einer verblichenen Blümchentapete, durstenden Kakteen oder einer Schrankwand begrenzt wurde. Warum aber sollten wir das unseren Preiserlein antun, und warum uns selbst?
Womit wir beim Thema sind.
Wenn ein Modellbahner ein Modellbahner ist, beschäftigt er sich mit dem Modell der Bahn. Folglich hat er sich vor-her über das Vor-bild informiert, im anderen Fall wird seine Vor-stellung von Vor-urteilen genährt.
Darum ist es mehr als nötig, seinen Blick über die Kulissenwand hinaus in die Welt schweifen zu lassen, be-vor das gesammelte und geliebte Wissen sich in einem (hoffentlich) Kunstwerk namens „Modellbahn“ materialisiert.
Kunst interpretiert die Welt, das Leben und uns auf vielfältige, nahezu unendliche Weise. Sie äußert sich in Bildhauerei, Malerei, Schauspiel, Literatur, Film, Musik, Performance…open End!
Die Darstellung einer Miniaturwelt ähnelt wohl am ehesten einer Performance: es wird jedes zweckmäßige Mittel genutzt um ein, wie es Andere nannten, Theaterstück mit dem Titel „Fahrplan“ aufzuführen. Die Bildhauerei findet sich in Gebäuden und Fahrzeugen; die Musik im Sound (leider auch im Geräusch!); die Performance selbst im Steuern, Schalten, untereinander Kommunizieren, Kuppeln, Entkuppeln, Fiddeln; die Malerei – ja, die Malerei – die entdecken wir endlich auf der Hintergrundkulisse, die uns nicht behindert, sondern unserer Weltsicht den nötigen Rahmen bietet!
Für meinen Rahmen habe ich weiße 3mm Hartfaserplatte ausgewählt. Der erste Versuch, sie an stabilen Flacheisen zu befestigen, schlug fehl. Sie bog sich zwischen den Stützen, wohin sie wollte.
Ich habe dann Rück- und Seitenwände aus 10mm Sperrholz angebracht.
Sie wurden mit Flachkopfschrauben und Flügelmuttern montiert.
Zum Befestigen sind an der Vorderseite (Bedienseite rechts und links) kleine U-Profile aus Alu verschraubt.
An der Trennstelle der beiden Bahnhofssegmente wurden Winkel benutzt, von denen nur die schmale Kante und eben die Trennspalte zu sehen ist. U- und Winkelprofil wurden mit übermalt.
Die Ecken der Kulisse habe ich ausgerundet. Das täuscht eine gewisse Unendlichkeit vor. Allerdings gelang das nicht sofort. Die Hartfaserplatte hatte ich von der Rückseite angefeuchtet, um das Biegen zu erleichtern. Es ist trotzdem einige Kraft nötig. Die erste Platte zerbrach dann auch. In den Ecken mußte ich noch je drei halbrunde Stützen vorsehen.
Die wiederum angefeuchtete Platte habe ich dann zuerst ins U-Profil gesteckt und nun langsam in die Ecke gedrückt. In der folgenden Aktion hätte ich mich auch gern selbst gesehen: mit zwei Händen die Platte gedrückt, mit einer Hand Klammern auf die Rückwand gesetzt, mit einer weiteren Hand die Platte an den mittleren Winkel gedrückt und mit der letzten Hand auf der Rückseite angezeichnet. Dazu hatte ich die Anlagensegmente natürlich getrennt. Vorsichtig die Spannung wieder lösen und die Platte genau zuschneiden. Danach da capo! Durch die Spannung klemmt die Platte fest zwischen den Profilen. Am Winkel habe ich aber vorsichtshalber Kleber aufgetragen.
Die weiteren Schritte hängen auch mit der Planung zusammen.
Meine Bahn soll in hügeliger Landschaft angesiedelt sein. Eine Bahnhofsausfahrt muß durch die Rückwand erfolgen. Dazu passend suchte ich eine Idee der Gestaltung. Fündig wurde ich schließlich beim Faller-Hintergrund Neuschwanstein. Nicht gerade hügelig, aber das kriegen wir hin!
Mit MSPaint habe ich die Berge ausradiert und das Bild auf die Maße der Kulisse gestreckt. Nach dem 1:1 Ausdruck auf A4-Papier hatte ich eine brauchbare Arbeitsgrundlage.
Für einen ersten Versuch habe ich einen Himmel auf eine Tapete gekritzelt, die ausgeschnittenen Hügelkonturen aufgeklebt und direkt bemalt. Maler Klecksel läßt grüßen!
Dieser Versuch war mir aber zu farbkräftig. Auf einer neuen Tapete wurde wieder ein Himmel eingefärbt, Um die einzelnen Hügelketten (nah und fern) zu übertragen, zerschnitt ich den Versuch „a“ und zog die Linien einzeln nach.
Das neue Kunstwerk gefiel mir besser.
In Anlagenmitte hätte ich gern einen Hügel gehabt. Dahinter kann einerseits die Zufahrt zu Güterschuppen und Fabrik verschwinden, außerdem biete er einen Grund, die Bahnstrecke unter einer Brücke hindurchzuführen.
Irgendwann „muß die Glocke werden“.
Nach so vielen Versuchen nahm ich Pinsel, Farben und meinen Mut zusammen und brachte meine Gedanken, Wünsche und Hoffnungen direkt auf die Hartfaserplatte.
Man muß übrigens keine Angst vor Fehlern haben. Ich benutzte Acrylfarben. Die decken sehr gut. Geht etwas schief, läßt sich das Malheur übermalen.
Die Reste der Versuche verwurstete ich hinter dem Fiddleyard. Man soll nichts umkommen lassen!
Zum Schluß noch einmal Plage und Vergnügen etlicher Tage im Schnelldurchgang.
Jetzt sitze ich oft vor der Anlage und schaue durch die Rückwand in die Welt hinaus. Gerade eben hatte ich euch alle vor Augen.
Glück Auf!
#2 Wann kommt Dein Modellbahnbuch?
Hi Ralf,
Dein Bildbericht samt Text ist Klasse! Mein Favorit ist die letzte Abbildung bzw. das letztlich Ergebnis: blasse Hügel, wolkenverhangener Himmel, nichts woran der Blick sich festhalten könnte - uninteressant. Und das soll ein Hintergrund sein, eine Kulisse für das Geschehen davor, für das Theaterstück.
Ich melde mich nochmal zum Thema Söhrebahn...
Schönes Wochenende,
Reiner
Hallo Epo2!
Vielen Dank für deinen (Bild-)Bericht! Ich habe auch noch eine offene Baustelle mit einer Trennkulisse bei der ich mir noch einige Gedanken zum Aufbau machen muss.
Was mich zu deinem Vorgehen noch interessiert, ist ob du den Betrachterwinkel bzw. den (virtuellen) Fluchtpunkt der Betrachtung berücksichtigt hast.
Grüße
Dave
Hallo Dave,
erstmal etwas ausholen, um dann den Fang einzuholen.
Eine Kulisse hat den Zweck, einer Situation eine bestimmte Identität zu verleihen. Sie gibt das WO und WIE und WANN vor als HIER und SO und JETZT. Ansonsten soll sie sich still verhalten.
Wobei „Zweck“ in diesen Fällen seiner 1200jährigen Bedeutung im Sinne des Wortes entspricht. In jener Zeit hieß althochdeutsch „zwec“ Nagel oder Pflock. (Als Niedersachse sollte man doch wissen, wie Hochdeutsch geht, oder?). Wir befestigen also mit einer „Zwecke“ einen Hinweis „zwecks“ Erzeugung einer den Augenblick dominierenden Atmosphäre. Da der „Zweck“ zusätzlich noch die Mittel heiligt, sind unsere Bertriebs-Mittel ebenfalls in den Zustand der Imagination erhoben und gelten für den staunenden Modellbahner als vollwertige Eisenbahn.
Um nun irgendwie auf die Perspektive schreibend zu sprechen zu kommen, spinne ich den Theaterfaden weiter. Wer im Parkett sitzt, läßt sich von der Darbietung verzaubern. Wer aber vom Balkon herabschaut, erblickt die Tricks der Magier: die Standmarken der Schauspieler, Kreidestriche für die Bewegungsrichtungen, vielleicht Seile und Stangen. Geht der Balkonier glücklicher nach Hause, weil er alles durchschaut hat, oder der Parkettier, weil er alles geglaubt hat?
Meine Hintergrundkulisse soll mich gefangen nehmen, ohne daß ich die Fesseln spüre. Es soll irgendwie stimmig sein. Sieht man eine Hügelkette, erkennt man ein Nah und Fern. Wendet man sich nach links oder rechts, wird sie nicht kleiner, erscheint aber so. Aus diesem Grund sollten die Linien in der Eckausrundung zu den Seiten hin niedriger werden. Ich habe das auf der rechten Seite geändert. Hinter der Fabrik wirkt es jetzt besser.
Hoffentlich hast du dich gefragt, was das schwarze Etwas auf der Kulisse soll? Gut, gibt mir Gelegenheit zur Erklärung. Das „schwatte Zeuch“
dient zum angleichen der Dachlinie des Fabrikgebäudes.
Wenn ich mich nur an einem Platz aufhielte, wäre die Perspektive kein Problem. Bewege ich mich aber, verschieben sich die Linien.
Die Fabrik soll als Kulisse (wer hätte das gedacht?) am vorspringenden Schornstein weitergeführt werden. Es muß also irgendwie ein Kompromiss gefunden werden, der keinem Standpunkt gerecht wird und doch nie Augenschmerzen verursacht. Auch deshalb habe ich die Hügel geschrumpft. Apropos Augen: der geneigte Leser vieler Seefahrerromane weiß: ein Wachposten sieht nur, was er erwartet. Der Modellbahner auch.
Noch ein Beispiel (ich spiele eben viel). In die Fabrikhalle führt ein Gleis. Wie jede Öffnung verführt das Tor zu allerlei Verrenkungen. Schon Wilhelm Busch dichtete: und der Hals ward lang und länger, und der Gesang ward bang und bänger (Max und Moritz), nämlich dann, wenn man den Zug auf Gleis 1 umwirft. Schafft man es aber doch, die Wissbegier zu befriedigen, erblickt man die Fortführung des Gleises auf der Rückwand.
Es gilt nun, die Linie so zu wählen, das bei durchschnittlicher Neugier das Gleis gerade erscheint. Ein wenig zur Seite geblickt ergibt gleich einen Knick in der Linse.
(M)einen Versuch der Lösung dieses die Welt bewegenden Problems zeigen die folgenden zwei Fotos.
Die Gleisattrappe muß etwas schräg aufgeklebt werden.
Einen habe ich noch: die Zufahrtsstraße. Sah ursprünglich passabel aus.
Doch von der linken Seite angeschaut, ergriff mich das kalte Grausen. Ich zog neue Hilfslinien, die einen noch glaubhaften Verlauf zeigen.
Und einen letzten: dieser Eindruck funktioniert nun wirklich nur an einer einzigen Position.
Jetzt hast du eine lange Antwort auf eine kurze Frage erhalten und einige Dinge gesehen, die mich am Tage um den Schlaf bringen und in der Nacht an das Textprogramm ketten. Aber man gönnt sich ja sonst nichts!
Glück Auf!
Ralf
Hallo Epo2!
Gleich vorweg: Die Sicherung der Weichensignalen mit modernen Reißzwecken ist hoffentlich präventiv erfolgt und nicht als Maßnahme nach einem Betriebsunfall.
Deine Probleme kenne ich und habe mich auch schon damit beschäftigt! Mein größtes Problem war die Straßenführung von der Anlage auf die Hintergrundkulisse. Da ich im Internet wenig brauchbare Infos finden konnte, suchte ich nach einer Offline-Hilfe, sprich Buch. Auf gut Glück hatte ich mich für "Creating a Backscene: A Railway Modelling Companion" entschieden. Dazu liest man vmtl. im nächsten ADJ mehr!
Gleich vorweg: Wenn man die Straße (und alle anderen (Sicht-)Linien) im Bogen führt, entsteht kein "Knick in der Optik" auch bei veränderten Betrachterstandpunkten. Wenn notwendig kann man durch Gebäude oder Bewuchs gewisse Blickwinkel erzwingen bzw. ausschließen.
Grüße
Dave
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