Mechanisches Stellwerk: Fahrstraßen-Festlegung

11.09.2018 13:08 (zuletzt bearbeitet: 10.01.2021 12:28)
#1 Mechanisches Stellwerk: Fahrstraßen-Festlegung
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Hallo liebe Forumer, jeder von uns hat es schon mal gehört: In Bahnhöfen auf Hauptstrecken dürfen Züge nur über Fahrstraßen fahren, die festgelegt sind. So lange der Zug sich auf der Fahrstraße bewegt, darf daran niemand etwas ändern können; erst wenn der Zug die Fahrstraße vollständig geräumt hat, darf sie aufgelöst werden, das heißt zB, dass die Weichen wieder umgestellt werden dürfen. Die Festlegung geschieht durch das Fahrstraßen-Festlegefeld, das geblockt werden muss, bevor das zugehörige Signal gezogen werden kann, und das den Fahrstraßenhebel (und damit alle Stell-Elemente der Fahrstraße) festhält.

Das Fahrstraßen-Festlegefeld ist fast immer ein Gleichstromfeld und hat in diesem Fall kein zweites Blockfeld als Partner, durch das es entblockt werden könnte. Vielmehr geschieht das Entblocken (= Auflösen der Fahrstraße) durch Zugeinwirkung (das haben wir auch schon öfter gehört).

Ein Gleichstromfeld kann man daran erkennen, dass im Farbfenster kein wackeliger Zeiger (der beim Wechselstromfeld die Funktion des Sperrklinken-Antriebs sichtbar macht) zu sehen ist, und dass man zu Blocken des Feldes keine Induktorkurbel drehen muss. Vielmehr bewirkt ein einfaches Niederdrücken der Blocktaste, dass bei korrekt gestellter Fahrstraße die Riegelstange mechanisch einrastet und damit den Fahrstraßenhebel in seiner Aktiv-Stellung festhält. Das Auflösen passiert - wie schon erwähnt - durch Zugeinwirkung. Aber wie soll das gehen? Es muss sichergestellt werden, dass der komplette Zug (also die letzte Achse) das Ende der Fahrstraße passiert hat. Wie das mit Hilfe des deutlich sichtbaren Isolierabschnitts im Zielgleis bewerkstelligt wird, war mir lange rätselhaft, deshalb habe ich mich etwas schlauer gemacht:

Der Isolierabschnitt liegt in einer der beiden Schienen im Zielgleis, also gerade hinter dem Ende der Fahrstraße; er muss länger sein als der größte Abstand der inneren Achsen in den Fahrzeugen. Damit ist sichergestellt, dass der Zug den Isolierabschnitt unterbrechungsfrei kurzschließt, während er den Abschnitt befährt. Außerhalb des Isolierabschnitts sind beide Schienen geerdet. Was nicht auf den ersten Blick auffällt, ist der Schienenstromschließer, das ist ein Kontaktgeber unter der isolierten Schiene:

SchinKont.jpg


Der Kontakt schließt, so lange sich die Schiene durch das Gewicht des Zuges nach unten durchbiegt. Die Kombination aus Isolierabschnitt und Schienenstromschließer heißt auch Zugeinwirkungsstelle.

In Gleisplänen wird eine Zugeinwirkungsstelle beispielsweise so dargestellt:

ZugEinw02.jpg


Wie funktionert nun die Zugeinwirkung? Im Blockfeld ist an der Riegelstange ein Schließkontakt angebracht, der bei eingerasteter Riegelstange die Schaltung an den Pluspol der Batteriespannung anschließt; der Minuspol der Batterie ist geerdet. An der Zugeinwirkungsstelle gibt es einen Magnetschalter (MS) mit einem Schließkontakt und einem Wechselkontakt. Ein Anschluss der Spule führt an den Schießkontakt der Riegelstange, der andere führt über den Ruhekontakt des Wechslers zum Schließkontakt des Schienenstromschließers (SSS), dessen zweiter Anschluss an der isolierten Schiene angeschlossen ist. Der Arbeitskontakt des Wechslers führt direkt zur isolierten Schiene und wirkt als Selbsthaltekontakt für den Magnetschalter.

ZugEinw01.jpg


Im Blockfeld ist weiterhin ein Hubmagnet eingebaut, der per Stromstoß die Rastung der Riegelstange aufheben kann und so die Fahrstraße auflöst. Ein Anschluss der Spule des Hubmagneten ist über den Schließkontakt des Magnetschalters an die isolierte Schiene angeschlossen, der andere führt an die geerdete Schiene.

Im Grundzustand sind alle Kontakte (bis auf den Ruhekontakt des Wechslers) offen, die ganze Schaltung ist stromlos. Dann blockt der Wärter das Festlegefeld, dadurch wird der Magnetschalter MS über den Riegelstangenkontakt (RK) einseitig an die Spannung angeschlossen. Es kann aber (noch) kein Strom fließen, weil der SSS-Kontakt noch offen ist. Die Riegelstange greift in die Aussparung der Fahrstraßenschubstange (FSS) und hält dieselbe fest.

Jetzt kommt der Zug und schließt die beiden Schienen des Isolierabschnitts kurz, damit bekommt die isolierte Schiene Erdpotential, sonst passiert nichts, weil der SSS-Kontakt noch offen ist. Wenn das erste Fahrzeug über den SSS rollt, dann biegt sich die Schiene durch und schließt den SSS-Kontakt. Das ist der eigentliche Start der Zugeinwirkung. Die Spule des MS bekommt jetzt Spannung, der MS schaltet ein. Der Arbeitskontakt des Wechslers schließt und kontaktiert jetzt den erdseitigen Spulenanschluss des MS dauerhaft mit der isolierten Schiene, so dass der MS geschlossen bleibt, wenn die Fahrzeugachse den SSS verlässt und dessen Kontakt wieder öffnet. Über den Schließkontakt des MS ist jetzt der Hubmagnet im Blockfeld kontaktiert. Er ist jetzt an beiden Schienen des Isolierabschnitts angeschlossen. Diese beiden Schienen sind jedoch durch mindestens eine Fahrzeugachse kurzgeschlossen, so dass der Magnet nicht anziehen kann. So lange der Zug sich noch über dem Isolierabschnitt befindet, tut sich nichts weiter.

Entscheidend ist der Moment, wenn die letzte (!) Fahrzeugachse den Isolierabschnitt verlässt. Das hebt den Gleiskurzschluss auf, und es ergibt sich ein neuer Stromfluss: Vom Pluspol der Batterie fließt der Strom über den RK zur Spule des MS (der weiterhin geschlossen bleibt), über den Arbeitskontakt des Wechslers zur isolierten Schiene, von da aus zum Hubmagnet im Blockfeld und zurück in die andere dauerhaft geerdete Schiene. Jetzt kann der Hubmagnet anziehen und das Blockfeld entriegeln; der RK öffnet, damit fällt der MS ab und unterbricht den Stromkreis des Hubmagneten. Damit ist der Grundzustand wieder hergestellt; die Fahrstraße ist aufgelöst, und der Wärter kann den Fahrstraßenhebel in die Grundstellung zurücklegen.

Mit Hp1-Gruß - Helmut


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22.09.2018 22:24 (zuletzt bearbeitet: 11.05.2022 17:01)
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#2 RE: Mechanisches Stellwerk: Fahrstraßen-Festlegung
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Hi Helmut,

wenn ein Märklinist nur eine Schiene plus den Mittelleiter zur Stromversorgung heranzieht, die andere Schiene isoliert und die Achsen so lässt wie sie sind, nämlich leitend, müsste er doch die von Dir beschriebene Funktion sehr einfach nachstellen können? Im Prinzip; natürlich läge der Teufel im Detail...

Schönes Wochenende,
Reiner


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23.09.2018 11:36 (zuletzt bearbeitet: 23.09.2018 11:47)
#3 RE: Mechanisches Stellwerk: Fahrstraßen-Festlegung
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Ja, so klappt das bestimmt. Man muss nur darauf achten, dass der Isolierabschnitt lang genug ist, damit während der Überfahrt des Zuges keine Unterbrechungen des Gleiskurzschlusses auftreten. Die Aktivierung (die beim Vorbild durch den Schienenstromschließer passiert) kann hier einfacher durch die erste Achse ausgelöst werden.

In Triptis II geht es so nicht, deshalb verbinde ich das mit der Rückblockung: Wenn zB ein Zug auf ein Bahnsteiggleis einfährt, dann überfährt die Zugspitze am Bahnsteigende (vor dem Ausfahrsignal oder vor der Haltetafel) einen Reedkontakt. Dadurch wird die Prüfung veranlasst, ob der Zug kürzer ist als die Freigabelänge. Wenn das der Fall ist, dann kann gleichzeitig der rückliegende Streckenabschnitt rückgeblockt werden und auch die Einfahrstraße aufgelöst werden. Beim Vorbild sind das zwei getrennte Vorgänge, weil da schon früher rückgeblockt werden kann, sobald der Zug das Einfahrsignal passiert hat. In diesem Moment wäre die Einfahrstraße noch festgelegt. Falls bei der erwähnten Prüfung festgestellt wird, dass der Zug länger ist als die Freigabelänge, dann wird weder rückgeblockt noch wird die Fahrstraße aufgelöst; das muss dann warten, bis der Zug bei der Ausfahrt den nächsten Reedkontakt mit Prüf-Funktion erreicht hat, beispielsweise am Vorsignal des nächsten Streckenabschnitts.

Mit Hp1-Gruß - Helmut


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17.07.2023 14:45
#4 RE: Mechanisches Stellwerk: Fahrstraßen-Festlegung
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Hallo Helmut,

vielen Dank für die Verlinkung aus meinem Stellwerksstrang #199.

Leider bin ich was Elektrik, Elektronik und Steuerung angeht dicht am Analphabetentum (und wahrscheinlich nicht nur da ), daher kommen jetzt ein paar Fragen, bei denen ihr Euch gerne vor Lachen biegen, an die Strin fassen oder einfach nur ungläubig mit dem Kopf schütteln dürft, ob meiner Unwissenheit:

1. Wieso wird der "-"Pol der Batterie (welche Batterie? Die taucht in Deiner Erklärung für mich leider ein bisschen aus dem heiteren Himmel auf) an die Erdung angeschlossen? Was bewirkt das und wie?
2. Wie würde das auf der Modellbahn aussehen?
3. Was sind das für Symbole:

4. Habe ich die Wirkrichtung der Federn korrekt indentifiziert?:

5. Wie kann man den SSS-Kontakt auf einer Modellbahn umsetzen?
6. Wieso verhindert der Kurzschluss, der solange besteht wie sich mindestens eine Achse auf dem isolierten Schienenabschnitt befindet, eine Disfunktion des Magneten? Wie funktioniert das? (und warum?)
7. Wie funktioniert das bei der Verwendung von ML-Schienen auf der Modellbahnanlage? Da haben doch die beiden Schienen die selbe "Poligkeit"? und:
8. Wie kann das bei einer Digitalen-Stromversorgung gemacht werden?

Beste Grüße
Dirk

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17.07.2023 15:32 (zuletzt bearbeitet: 17.07.2023 15:36)
#5 RE: Mechanisches Stellwerk: Fahrstraßen-Festlegung
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Zitat von djue6867 im Beitrag #4

1. Wieso wird der "-"Pol der Batterie (welche Batterie? Die taucht in Deiner Erklärung für mich leider ein bisschen aus dem heiteren Himmel auf) an die Erdung angeschlossen? Was bewirkt das und wie?


a) Die "Stellwerksbatterie": Ein altes mechanisches Stellwerk hat eine große Batterie im Keller - Bleiakku mit Säure. Daher kommt der Gleichstrom. (Tatsächlich kommt er über einen Gleichrichter aus dem Stromnetz; aber als mech. Stw. erfunden wurden, gab's das noch nicht; und auch heute kann es ausfallen).

b) Das Wieso des Minuspols an Erde ist eine umständliche Sache - dazu lernst Du zuerst mal die Grundlagen der Elektrotechnik, z.B. wieso dein Haus einen "Erder" hat, wieso der Schutzleiter deiner Steckdosen mit diesem niedrigohmig verbunden ist usw.usf; dann kann man das erklären. Praktisch ist es nicht so wichtig.

Zitat von djue6867 im Beitrag #4

2. Wie würde das auf der Modellbahn aussehen?


Gar nicht - man macht alles über Kabel, weil unser "Modellbahn-Erdboden" nicht leitfähig ist (im Gegensatz zur echten Erde).

Zitat von djue6867 im Beitrag #4

3. Was sind das für Symbole:



Mechanische Festpunkte = Schrauben und Achsen, die am Gehäuse oder Rahmen befestigt sind. Wenn man das alles "naturgetreu" zeichnen würde (wie man das im 19. Jh. noch getan hat), dann werden Pläne und Skizzen unendlich voll und unverständlich.
In diesem Fall sind es 3 Festpunkte, an denen Federn angelenkt sind; und eine Achse eines zweiarmigen Hebels.

Zitat von djue6867 im Beitrag #4

4. Habe ich die Wirkrichtung der Federn korrekt indentifiziert?:



Nein. Jede (Zug-)Feder zieht ihr bewegliches Ende hin zur fest verankerten Seite. Die waagrechte Feder ist rechts fest verankert, deswegen zieht sie den zweiarmigen Hebel nach rechts.

Zitat von djue6867 im Beitrag #4

5. Wie kann man den SSS-Kontakt auf einer Modellbahn umsetzen?

Auf einer Zweileiter-Modellbahn geht das alles so gar nicht, weil man ja nicht die zwei Schienen durch Stahlachsen kurzschließen kann. Man kann sich mit bekannten trickreicheren Schaltungen behelfen, die Shunts in den Achsen verwenden; und einen Schienenstromschließer etwa auch durch eine Gabellichtschranke simulieren. Hier ist "Vorbildtreue" aber relativ sinnlos.


Zitat von djue6867 im Beitrag #4

6. Wieso verhindert der Kurzschluss, der solange besteht wie sich mindestens eine Achse auf dem isolierten Schienenabschnitt befindet, eine Disfunktion des Magneten? Wie funktioniert das? (und warum?)


Oh - bitte Grundlagen der Elektrotechnik lernen (wieso fließt durch einen kurzgeschlossenen Widerstand kein Strom?).

Zitat von djue6867 im Beitrag #4

7. Wie funktioniert das bei der Verwendung von ML-Schienen auf der Modellbahnanlage? Da haben doch die beiden Schienen die selbe "Poligkeit"?

... so wie bei der realen Eisenbahn. Daher kann man mit Mittelleiter-"Schienen" tatsächlich das halbwegs nachbilden (was in Schulungsanlagen der großen Eisenbahnen auch gemacht wurde). Es geht aber nicht so gut - die Modellbahnfahrzeuge springen gern ein wenig in die Höhe = man kann sich im Gegensatz zu den tonnenschweren Wagen draußen nicht drauf verlassen, dass der Kurzschluss über die Schienen wirklich bestehen bleibt, solange der Zug darüberrollt (was man wieder mit Zeitgliedern in den Griff kriegen kann). Alles, was mit Gewicht zu tun hat (etwa der SSS), geht natürlich nicht - die Durchbiegung einer Schiene unter einer Modellbahnachse ist in der Größenordnung von Atomdurchmessern ... das muss man (siehe oben) anders simulieren.

Zitat von djue6867 im Beitrag #4

und:
8. Wie kann das bei einer Digitalen-Stromversorgung gemacht werden?

Im Prinzip auf zwei Arten: Integriert in die Digitaltechnik (Messung von Strömen über Shunts ...) - davon habe ich keine Ahnung. Oder rausgekoppelt, über z.B. Gabel- oder Reflexionslichtschranken, die die Funktionen des "da ist was/da ist nichts" ganz anders elektronisch nachbilden. Dafür ist es sinnvoll, sich mal in die Grundlagen der Elektronik und auch einige fortgeschrittene Themen einzuarbeiten - dann erst sollte man sich diesem speziellen Problem stellen.

Ich hoffe, das hat etwas geholfen!

H.M.


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17.07.2023 18:01 (zuletzt bearbeitet: 17.07.2023 18:16)
#6 RE: Mechanisches Stellwerk: Fahrstraßen-Festlegung
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Dem ist nichts hinzuzufügen; danke, Harald! - H.

EDIT: Übrigens, @Dirk: Deine Fragen waren gar nicht so blöd! Sie haben Harald dazu angeregt, die Funktion zu präzisieren, was hier sicher gut angekommen ist.

Gruß - H.


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