Welchen Einfluss hat die Blocktaste auf die Fahrstraßenschieber?

11.06.2023 11:51
avatar  Markus
#1 Welchen Einfluss hat die Blocktaste auf die Fahrstraßenschieber?
avatar

Wozu die Fahrstraßenfestlegung gut ist habe ich verstanden, aber welche Elemente des Stellwerks die Blocktaste beeinflusst noch nicht so recht.

Von http://www.stellwerke.de/grund/seite1_2.html: Nach dem Umlegen des Fahrstraßenhebels muß dieser festgelegt werden. Dazu wird im Blockaufsatz die Blocktaste für die elektrische Fahrstraßenfestlegung betätigt.
Waren bis zu diesem Augenblick sämtliche Aktionen rücknehmbar, (Fahrstraßenhebel zurücklegen, Weichen anderweitig stellen), wird durch diese Handlung ein endgültiger Zustand geschaffen. Der Fahrstraßenhebel ist festgelegt und kann nur noch mit einer nachweispflichtigen Hilfshandlung entsperrt werden.

Der Fahrstraßenhebel wird also in seiner momentanen Position festgehalten. Aber wie verhindert man, dass das zur Fahrstraße gehörige Signal nicht bereits vor Betätigung der Blocktaste auf Fahrt gestellt wird? Dafür müsste der Feststellmechanismus ja entweder die Signalhebel direkt beeinflussen oder die Stellung der Fahrstraßenschieber verändern können. Alternativ könnte an Fahrstraßenhebel mit einer Vorauswahlposition für jede Fahrstraße haben, wo erst nach festgelegter Fahrstraße der Fahrstraßenhebel in die endgültige Position bewegt werden kann. Alle diese Varianten erscheinen mir aber zur Nachrüstung eines bestehenden Stellwerks eher ungeeignet. Wo liegt dann mein Denkfehler?

VG
Markus


 Antworten

 Beitrag melden
11.06.2023 12:23
#2 RE: Welchen Einfluss hat die Blocktaste auf die Fahrstraßenschieber?
avatar

Ganz kurz: Fahrstraßenfestlegesperre; Erklärung siehe http://www.stellwerke.de/grund/seite1_4.html.

Wenn ich wieder zu Hause bin, gerne Detaildiskussion!

H.M.


 Antworten

 Beitrag melden
12.06.2023 14:31 (zuletzt bearbeitet: 12.06.2023 14:47)
#3 RE: Welchen Einfluss hat die Blocktaste auf die Fahrstraßenschieber?
avatar

Für die, die's noch interessiert, habe ich hier einmal die Wirkung der Fahrstraßenfestlegesperre versucht zu skizzieren. Nicht verwirren lassen - das Bild hat viele Bauteile drauf, aber wenn man sie der Reihe nach durchgeht, sollte das schon klar werden. Ein paar Vorbemerkungen, die hier nicht mehr gezeichnet sind:

a) Stellwerke (mechanische, elektrische, elektronische) erzwingen Reihenfolgen von (mechanischen, elektrischen oder elektronischen) Verschlüssen - "erst wenn A passiert ist, kann B passieren". Um eine Stellwerkslogik zu verstehen, muss man deshalb diesen Reihenfolgen nachgehen - nur dann kann man's verstehen, sonst nicht. Statische technische Zeichnungen vermitteln in der Regel keine sinnvolle Erklärung!! (In modernen Zeiten könnte man das durch Animationen viel besser rüberbringen ... wenn ich mal mehr Zeit habe, mache ich ganz viele davon ).

b) Weichenhebel bewegen Weichen(zungen) - klar. Aber mit seiner Handfalle bewegt ein Weichenhebel auch einen Verschlussbalken, und der beeinflusst die Stellwerks-Logik, also die genannten Bewegungs-Reihenfolgen. In meiner Skizze sind ganz rechts oben solche Verschlussbalken von Weichenhebeln angedeutet, und auf der Fahrstraßenschubstange darunter entsprechende Verschlussstücke.

c) Signalhebel bewegen Signale(bzw. deren Flügel), und mit der Handfalle auch einen Verschlussbalken (den sieht man weiter links bei 3.). Aber darüber hinaus bewegt ein (typischer deutscher) Signalhebel beim Umlegen des Hebels auch einen Signalschieber. Das Freistellen eines Signals kann man deshalb in einem deutschen Stellwerk auf zwei Arten verhindern: Indem man den Verschlussbalken "einbremst"; oder indem man den Signalschieber an seiner Bewegung hindert. Die Fahrstraßenfestlegesperre macht letzteres.

Mit diesem Wissen können wir nun anschauen, wie der Aufbau einer Fahrstraße und das Freistellen des Signals abläuft. Ich orientiere mich dabei an den Nummern 1...7. in meiner Skizze. Die Skizze vereinfacht die Technik enorm - in Wirklichkeit müssen da weitere Funktionen und Fälle berücksichtigt werden, die ich einfach ignoriere; prinzipiell geht das aber alles so:



Auf geht's, mit der Vorbereitung zur Zugfahrt:

1. Der Stellwerker stellt bei 1. die Weichenhebel so, dass die Verschlussstücke die Bewegung der Fahrstraßenschubstange ermöglichen.

2. Mit dem Fahrstraßenhebel verschiebt er nun bei 2. die Fahrstraßenschubstange. Das verschließt, wie hoffentlich allgemein bekannt, die Verschlussbalken der Weichenhebel in der Fahrstraße, sodass deren Handfalle nicht mehr gezogen werden kann, und damit können die Weichen nicht mehr umgestellt werden. Die Fahrstraße ist damit mechanisch verschlossen.

3. Der Verschlussbalken des Signalhebels wird dadurch bei 3. schon freigegeben, weil das "Signalverschlussstück" nun zur Seite gerutscht ist. Man kann also nun (schon) die Handfalle des Signahebels ziehen und den Signalhebel ein wenig umlegen. Aber dadurch beginnt sich (über den Antrieb bei 6.) die Signalschubstange zu bewegen, und die will deshalb die "Signalwelle" verdrehen, die durch eine Hohlwelle zur Fahrstraßenfestlegesperre geht. Dort ist vorne, bei 7., ein Haken angebracht - und dieser Haken stößt nun gegen das "Sperrstück" an der Riegelstange (siehe auch die Detailskizze links oben, die Riegelstange und Sperrstück von der Seite zeigt), sodass die Signalwelle sich nicht drehen kann - der Signalhebel kann nicht umgelegt werden!

Das Sperrstück ist nicht fest angebracht, sondern kann nach oben und unten pendeln; ein nach unten hängendes Gewichtchen führt aber dazu, dass es normalerweise waagrecht steht - wozu das gut ist, kommt später. Das Sperrstück hält den Haken bei 7. trotzdem auf, weil es durch ihn ja zur Seite gedrückt werden würde - das geht aber nicht.

Noch was: Ich hoffe, ich verwirre nicht, wenn ich das Folgende einwerfe - es wird erst später relevant, also bei Planlosigkeit einmal überlesen: Man erkennt, dass der Signalhebel doppelt gegen Umlegen gesperrt ist: Einmal, indem der Verschlussbalken von der Fahrstraßenschubstange freigegeben werden muss; und ein zweites Mal über den Haken bei 7. und das Sperrstück. Wieso ist das denn nötig? - reicht nicht einmal sperren?? Nein, reicht nicht - wieso doppelt nötig ist, erkläre ich weiter unten! Vorerst einmal weiter mit der Reihenfolge.

4. Das Verschieben der Fahrstraßenschubstange im Schritt 2. hat allerdings die äußere (rohrartige) Hohlwelle verdreht, und dadurch hat sich bei 4. der kleine senkrecht stehende Fortsatz auf die Seite gedreht. Dieser Fortsatz hat bisher verhindert, dass die Riegelstange des Ff-Feldes nach unten gehen konnte. Nun aber, wo die Fahrstraßenschubstange verschoben ist und damit der Fortsatz bei 4. schräg weggdreht ist, kann die Riegelstange heruntergehen ...

5. ... und nun kann der Stellwerker bei 5. das Ff-Feld blocken! Das hat zwei Konsequenzen:
- Der schrägstehende Fortsatz bei 4. kann nun nicht mehr zurück - und damit kann der Fahrstraßenhebel nicht mehr zurückgelegt werden: Die Fahrstraße ist auch elektrisch festgelegt (mechanisch verschlossen war sie ja schon nach 2.).
- Der Haken bei 7. kann sich nun aber endlich über das nach unten verschobene Sperrstück bewegen ...

6. ... und deshalb kann nun der Stellwerker bei 6. den Signalhebel umlegen! Die Signalschubstange bewegt sich dadurch nach rechts, verdreht die Signalwelle (die innerhalb der Hohlwelle verläuft), und ...

7. ... der Haken bei 7. geht nun fröhlich über das Sperrstück drüber! Endlich .

Wie geht es weiter? Der Zug befährt die Isolierschiene, dadurch springt das Ff-Feld nach oben. Über dem Sperrstück ist der Haken 7. - aber weil das Sperrstück nach unten pendeln kann, ist das dem Blockfeld egal, es wird nicht am Zurückspringen gehindert.

Was damit aber nun passiert ist, ist, dass der Fortsatz bei 4. sich wieder unter die Riegelstange drehen kann - d.h., der Stellwerker kann nun die Fahrstraßenschubstange zurückstellen und dann fröhlich die Weichen umstellen ... und das, während das Signal noch auf Frei steht!! Das darf keinesfalls möglich sein - das ist ein direkter Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene Signalabhängigkeit! ("Während ein Signal auf Fahrt steht, sind die Weichen unter Verschluss zu halten" oder so ähnlich).

Um das zu verhindern, sind Signalhebel und Fahrstraßenschubstange bei 3. ein weiteres Mal direkt mechanisch in Abhängigkeit gebracht: Während der Signalhebel umgelegt ist, also sein Verschlussbalken unten ist, kann man die Fahrstraßenschubstange nicht zurückstellen - egal, was sich an der Festlegesperre und am Blockfeld tut. Deshalb also dieser doppelte Verschluss des Signals!

So ist das. Und jetzt haben wir noch gar nicht darüber geredet, wie das bei drei und mehr Ausfahrsignalen ist (da wird's schwierig mit der Signalwelle), wie bei Vorhandensein von Be-Feldern, wie bei Vorhandensein eines Streckenblocks und dann, als Krönung, wie kompliziert es wird, wenn Ausfahrsignale auf mehr als eine Strecke führen. Ziemlich kompliziert, alles zusammen.

H.M.


 Antworten

 Beitrag melden
12.06.2023 14:50 (zuletzt bearbeitet: 12.06.2023 15:03)
#4 RE: Welchen Einfluss hat die Blocktaste auf die Fahrstraßenschieber?
avatar

Hallo Harald, für die detaillierte und gut verständliche Erklärung. Dass die Festlegesperre (auch) auf die Signalschubstange wirkt, war mir schon länger klar, aber jetzt weiß ichs genauer!

Mit Hp1-Gruß - Helmut_D

Edit: In meiner Skizze zur Zugeinwirkung

fehlt die Einwirkung des Blockfelds auf die Signalschubstange, die wäre aber nicht so einfach darzustellen, weil es sich dabei um einen Freigabemechanismus handelt. Bei Haralds Skizze ist das besser dargestellt. - Gruß H.


 Antworten

 Beitrag melden
12.06.2023 19:27
avatar  Markus
#5 RE: Welchen Einfluss hat die Blocktaste auf die Fahrstraßenschieber?
avatar

Vielen Dank für die ausführliche Erklärung. Ich denke, ich habe es jetzt verstanden. Sogar mehr als ich ursprünglich verstehen wollte. Um den Festlegemechanismus selbst zu verstehen war ich bisher zu faul und hatte mir den als Black-Box gedacht. Auf dieser Detailebene hat aber die Signalschubstange gefehlt, von deren Existenz ich vorher nichts wusste. Die Existenz der Wellen war wir von diversen Bildern klar, aber eben nicht, dass diese vom Signalhebel angetrieben werden.

Das heißt aber auch, dass eine Erweiterung eines einfachen schon vorhandenen Stellwerkes um eine Fahrstraßenfestlegung die Ergänzung eines oder mehrerer Singalschieber erfordert und damit zu einem komplexen Umbau wird. Ich hatte mir das immer anders (einfacher) vorgestellt.


 Antworten

 Beitrag melden
12.06.2023 20:03 (zuletzt bearbeitet: 12.06.2023 20:10)
#6 RE: Welchen Einfluss hat die Blocktaste auf die Fahrstraßenschieber?
avatar

Zitat von Markus im Beitrag #5
Das heißt aber auch, dass eine Erweiterung eines einfachen schon vorhandenen Stellwerkes um eine Fahrstraßenfestlegung die Ergänzung eines oder mehrerer Singalschieber erfordert und damit zu einem komplexen Umbau wird. Ich hatte mir das immer anders (einfacher) vorgestellt.


Vier Anmerkungen dazu - vielleicht hilft's ja was:

a. Die deutschen Stellwerke, deren Mechanik i.W. von Jüdelstellwerken abgeleitet ist, machen sich das alle ziemlich kompliziert. Man kann es auch etwas einfacher haben, wie etwa bei den Siemens-Stellwerken: 3414 und dann das österr. Regelstellwerk 5007 kommen ohne Blocksperren aus, obwohl sie genauso das Freistellen von Signalen erst nach dem Blocken der Ff-Felder erlauben.

b. Einen Signalschieber brauchen auch diese Stellwerke - er wird aber dort direkt von den sich drehenden Verschlussachsen* angetrieben und nicht über eigene Antriebe wie bei den deutschen Signalhebeln. Das macht das Leben etwas einfacher.

* nicht Verschlussbalken wie bei praktisch allen deutschen Stw-Typen, die von der "Bauart Rüppell, Patent Büssing" abgeleitet sind.

c. Was das Leben ziemlich kompliziert macht, ist das "N:1-ODER-Problem": Eine zwangs(rück)geführte Mechanik zu bauen, die einen Schieber verschiebt, wenn (Signal-)Hebel 1 oder Hebel 2 oder ... um- und zurückgelegt wird.

d. Wenn man aber statt einer Zwangs(rück)führung auf die einfache Rückführung durch eine Feder vertraut (was die echte Sicherungstechnik wegen des potentiellen Bruchs nicht gern tut), dann wird der Signalschieber wieder sehr einfach. Wenn man ein wenig vorbildgerechter sein will, dann kann man (wie in Siemens-Stellwerken) eine Druckfeder mit einem Federbein verwenden: Eine so geführte Druckfeder verliert bei Bruch nur eine Federwindung an Steigung, sodass die Federwirkung i.W. erhalten bleibt!

Zusammengefasst: Federrückgeführte Signalschieber auch für mehrere Signale sollten eigentlich halbwegs einfach zu konstruieren sein; und eine direkte Freigabe dieses Schiebers durch ein Blockfeld sollte auch relativ einfach zu haben sein.

Alle diese "überschriftsartigen Anmerkungen" müsste ich aber natürlich durch Konstruktionsdetails ergänzen ...

H.M.


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!