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Trapeztafel plus
Ich möchte fast wetten dass wir diese 15-20 Bahnhöfe nicht finden werden. Das hängt mit auch mit der Historie zusammen wie sich Eisenbahnbetrieb und Sicherungstechnik in Deutschland entwickelt haben. Anders als in Österreich gab (und gibt) es da immer zwei Welten: die Staatsbahn (DRG, DB, DR, DB AG) und die Privatbahnen, die jeweils ihr eigenes Regelwerk hatten und haben. Beim folgenden bin ich allerdings nur von Epoche 3 bis heute einigermaßen kundig...
Bei der deutschen Staatsbahn ist das einfach. Hauptbahnen waren sowieso voll signalisiert. Staatliche Nebenbahnen wurden im Zugmeldebetrieb befahren (das Vorschriftenwerk nennt das "Regelbetrieb", später erfundene Spezialitäten wie das Zugleitverfahren waren Sonderfälle die in eigene Spezialvorschriften ausgelagert wurden).
Die klassische staatliche Nebenbahn hatte immer Einfahrsignale an allen Bahnhöfen. Ausfahrsignale, ebenfalls Streckenblock, waren zumindest auf Zwischenbahnhöfen, bis in die 1960er Jahre eher unüblich und wenn dann auf Knotenbahnhöfen mit mehrere Streckenabgängen Usus. Bei einfachsten betrieblichen Verhältnissen waren schon mal die Weichen ortsgestellt, ganz selten gab es nicht mal ein Schlüsselwerk sondern nur ein Schlüsselbrett (also keine technische Signalabhängigkeit der Weichen), aber Einfahrsignale eigentlich immer.
Die Trapeztafel war irgendwann Ende der 1930er Jahre eingeführt worden, und ungefähr zu der Zeit wurde der Zugleitbetrieb "erfunden"; letzterer diente dazu vormals mit Fdl besetzte Bahnhöfe "personalfrei" zu machen, daher wurde sie vor allem dort auf jetzt unbesetzten Bahnhöfen verwendet. Bahnhöfe die weiterhin besetzt blieben hatten ja ihre Stellwerkstechnik samt Einfahrsignalen - kein Grund dort jetzt Trapeztafeln aufzustellen.
Übrigens: In diesem Forum konnte man in verschiedenen Threads herauslesen Zugleitbetrieb sei für Nebenstrecken "das Normale" - im Hinblick auf die Staatsbahn sehe ich das nicht so. Strecken mit Zugleitbetrieb und aktivem Personenverkehr waren bei der DB und auch der DR zu allen Zeiten eine sehr seltene Ausnahme; in Niedersachsen (da kenne ich mich ganz gut aus) fällt mir eine einzige Strecke, die "Wendlandbahn" Lüneburg - Dannenberg ein, aber auch die wurden vor ca. 25 Jahren wieder auf Zugmeldebetrieb umgestellt. Auch wurde das Betriebspersonal bei der Bundesbahn nicht standardmäßig für Zugleitbetrieb ausgebildet und geprüft, das war eine Spezialausbildung die nur bekam wer solche Strecken im Dienstplan hatte.
Im Bereich der DB änderte sich das in den 1960er Jahren dann zügig:
1. Viele (die meisten?) Nebenbahnen verloren ihren Personenverkehr. Das wurde dann oft damit verbunden die meisten Bahnhöfe "personalfrei" zu machen und den Zugleitbetrieb einzuführen.
2. "Überlebende" Nebenbahnen wurden teils ausgebaut. So erhielt z. B. die Nebenbahn Nienburg - Minden Ausfahrsignale, Vorsignale, Streckenblock, verlängerte Kreuzungsgleise und eine Heraufsetzung der Höchstgeschwindigkeit von 60 auf 80 km/h.
3. In den Jahren 1960-1975 gab es mehrere fatale Zugunglücke auf Nebenbahnen (z. B. Dahlerau). Die DB startete damals ein großes Programm das Sicherheitsniveau zu erhöhen und stattete Nebenbahnen mit Ausfahrsignalen und Streckenblock aus.
Soweit erstmal. Im "Paralleluniversum" der Privatbahnen lagen die Dinge etwas anders, bei Interesse schreibe ich dazu gerne auch etwas.
Danke! ...
... ich überlege, entlang Deiner Erklärung, sehr hypothetisch(!!), was dann in Österreich so anders war. Die Trapeztafel kam ja ca. "zugleich" mit D an (Ende 1930er). Eine ganze Zeitlang wird man auf den dort relativ zu D (viel?) häufigeren Nebenbahnhöfen ohne Einfahrsignale weiter mit den Spitzenweichen als Bahnhofsgrenzen ausgekommen sein - aber irgendwann (wohl nach dem 2. WK - in den 1950ern??) draufgekommen sein, dass dort Trapeztafeln hilfreich sind, weil man z.B. einen Verschub nicht "lange" vor Ankunft eines Zuges einstellen muss; oder Kreuzungen leichter abwickeln kann - und dann hat man die billigen Tafeln aufgestellt.
In D hingegen hatten zumindest die Bf an Nebenbahnen, wo Verschub und/oder Kreuzungen stattfanden, schon ESig - keine Trapeztafeln nötig; und die ohne Verschub/Kreuzungen mit örtlichem Personal sind tatsächlich sehr selten, und wenn, brauchen sie dann auch keine Trapeztafeln.
Dann ist die "Übersignalisierung" der deutschen Bahnen (wurde so mal in einem britischen Forum behauptet - wobei, was die an Signalen aufgestellt haben ... aber jetzt sehr OT) der Grund, dass tatsächlich Trapeztafeln sich in D in der "personalisierten Epoche" kaum verbreitet haben.
... und ja, ich hätte schon auch sehr Interesse an (D)einer Darstellung zu den Privatbahnen, einfach weil ich diese "allgemeine Situation" ein wenig kapieren will .
H.M.
Hallo H.M.,
deine Analyse bringt es glaube ich genau auf den Punkt.
Übrigens Österreich, da kenne ich mich im Detail nicht aus, daher zwei Fragen:
- Wurde die Trapeztafel von der ÖBB parallel, eingeführt, oder ist sie ein Überbleibsel der "großdeutschen" Zeit? Ich meine mich zu erinnern dass die ÖBB auch nach 1945 viel vom deutschen Regelwerk beibehalten hatten, kann mich da aber täuschen.
- Wann wurde der Zugleitbetrieb als solcher und unter dieser Bezeichnung in Österreich eingeführt? Ich meine dass die ÖBB diesen in den 1980ern als großen Rationialisierungsschritt für Nebenbahnen propagierte, aber existierte er schon zuvor im Regelwerk?
Gruß,
Sebastian
P.S. Zu den Privatbahnen kommt von mir noch was, aber nicht mehr heute. Als Sneak Preview hier ein Link zur FV-NE:
https://fahrweg.dbnetze.com/resource/blo...38_b20-data.pdf
Die Infrastruktur der "Arnsberg-Hornbogener Eisenbahn" ist auf den PDF-Seiten 124 und 131 dargestellt. Bahnhof "Mittelfeld" ist der besetzte Bahnhof mit Trapeztafeln.
Hallo Sebastian -
Zitat von Sebastian im Beitrag #53
deine Analyse bringt es glaube ich genau auf den Punkt.
Zitat von Sebastian im Beitrag #53Ich kenne nur einen Satz dazu, im Hager - müsste ihn raussuchen, aber dort steht sinngemäß "wurde von der Deutschen Reichsbahn in Österreich eingeführt", also keine "parallele" Einführung.
- Wurde die Trapeztafel von der ÖBB parallel, eingeführt, oder ist sie ein Überbleibsel der "großdeutschen" Zeit?
Zitat von Sebastian im Beitrag #53Das ist glaube ich etwas schwierig, weil schon vorher VDEV-Formulierungen ja abgeglichen waren ... was da nun "parallel" und was "übernommen" ist, wäre eine tiefe Analyse wert - für die mir die Unterlagen absolut fehlen.
Ich meine mich zu erinnern dass die ÖBB auch nach 1945 viel vom deutschen Regelwerk beibehalten hatten, kann mich da aber täuschen.
Zitat von Sebastian im Beitrag #53Genau. Details müsste ich nachschauen, aber das beginnt erst Mitte der 1980er mit der V5.
- Wann wurde der Zugleitbetrieb als solcher und unter dieser Bezeichnung in Österreich eingeführt? Ich meine dass die ÖBB diesen in den 1980ern als großen Rationialisierungsschritt für Nebenbahnen propagierte
Zitat von Sebastian im Beitrag #53Nein, definitiv nicht. Nur die Zillertalbahn hatte ab 1971 als absoluter Einzelfall einen funkbasierten Zugleitbetrieb genehmigt bekommen.
, aber existierte er schon zuvor im Regelwerk?
Grüße
H.M.
Zitat von Sebastian im Beitrag #53Hab ich mir vor einer halben Stunde ergoogelt und auch Mittelfeld schon gefunden, nach längerem Blättern.
P.S. ... Die Infrastruktur der "Arnsberg-Hornbogener Eisenbahn" ist auf den PDF-Seiten 124 und 131 dargestellt
Ich will mich nicht in die Hauptdiskussion einmischen, weil ich zu wenig weiß. Nur eine Zwischenfrage:
Trapeztafeln dienten also, wie geschrieben wurde, vornehmlich dazu, Bahnhöfe personalfrei zu machen. Dann kann der Grund aber nicht sein, wenn sie ein Zusatzkennlicht erhalten, das statt des Signals Hr 3 von einem Tfz zum Hereinholen gegeben wird. Das Kennlicht wurde ja, wenn ich es richtig sehe, nicht von den Zugpersonalen, sondern von örtlichen Bediensteten geschaltet.
Gruß
Otto
Zitat von OOK im Beitrag #55
Dann kann der Grund aber nicht sein, wenn sie ein Zusatzkennlicht erhalten, das statt des Signals Hr 3 von einem Tfz zum Hereinholen gegeben wird. Das Kennlicht wurde ja, wenn ich es richtig sehe, nicht von den Zugpersonalen, sondern von örtlichen Bediensteten geschaltet.
Natürlich kann man das so machen wenn ein Bahnhof im Zugleitbetrieb mit einem örtlichen Betriebsbediensteten besetzt ist, dann wird der das Rufsignal bedienen. Aber der typische Fall den ich kenne ist dass solche Lichtrufsignale auf unbesetzten Bahnhöfen installiert wurden, bedient meist vom Zugführer des ersten Zuges mit einer Schlüsseltaste. In der Privatbahnwelt gab es das z. B. bei OHE und WLE auf etlichen Betriebsstellen (auf der Süsingbahn auch, Ehrensache...).
#57 RE: Normung ...
Hallo Otto,
ist zwar schon älter der Beitrag, aber ich antworte dennoch mal.
Zitat von OOK im Beitrag #36
... aber genormt ist das nicht. Es gibt nirgends Maßsangaben, weder für das Format der Tafel selber als auch für die Dicke der Umrandung.
Das Signalbuch als solches bzw. die 301 schreibt da in der Tat nichts konkretes vor.
Genrell "nicht genormt" ist nicht "ganz dünnes" aber "mitteldünnnes Eis"
Für so eine Signaltafel und den passenden Pfosten gibt es entsprechende Regelzeichnungen, nach denen solche Signale nebst Montagezubehör bestellt werden. Da die Lieferanten für sowas i.d.R. bekannt sind, stehen solche Dinge auch anderen Betreibern zur Verfügung.
#58 RE: Trapeztafel plus
Schuur ihr Jonge,
bei der "Trapeztafel +" gibt es / sind mir (vermutlich gibt es aber mehr) zwei Ausführungen bekannt:
Die Bauform der WLE mit der grün leuchtenden Lampe und die der DB mit dem weiß leuchtenden Licht. Diese können / konnten wohl von örtlichen Bediensteten geschaltet werden, aber genau so vom Zugpersonal.
Zwischen Beienheim und Nidda oblag diese Aufgabe in Reichelsheim und Echzell (unbesetzte Kreuzungsbahnhöfe) dem Zugführer des zuerst eingefahrenen Zuges. Welcher Zug vor der Trapeztafel zu halten hat ist IMMER im Buchfahrplan geregelt.
Dake für die infos. Schalten mit dem Zugführerschlüssel macht Sinn. Worüber ich mir noch Gedanken mache: Leuchtet das Ruflicht solange, bis der Schlüssel zurückgedreht wird? Oder verlischt es nach einer bestimmten Zeit von allein?
Gruß
Otto
Zitat von OOK im Beitrag #59
Leuchtet das Ruflicht solange, bis der Schlüssel zurückgedreht wird? Oder verlischt es nach einer bestimmten Zeit von allein?
Alle mir bekannten Anlagen waren "low-tech", der Zugführer musste die Signalfolge Zp11 "lang-kurz-lang" durch mehrfaches Betätigen des Schlüssels oder einer Taste nachmachen. Übrigens meist nicht mit dem eigentlichen Zugführerschlüssel (der von der Bauart ein Weichenschlüssel ist) sondern mit dem Schlüssel der auch zur Bedienung von BÜ-Anlagen benutzt wurde, bei der DB der berühmte DB21-Schlüssel, bei Privatbahnen gerne auch irgendeine eigene Schlüsselform.
Ein Sonderfall war die oben erwähnte Lösung der WLE. Die hatte auf ihren unbesetzten Bahnhöfen eine komplexere Lösung: die Einfahrweichen wurden durch den Zugführer per Tastendruck elektrisch gestellt. Anschließend schaltete der Zugführer mit dem Schlüssel an der Trapeztafel ein grünes Dauerlicht ein, somit das Signal Hp1 (nicht Zp11). Die Besonderheit: solange das Hp1 eingeschaltet war waren die elektrischen Weichen auch in ihrer gegenwärtigen Stellung festgelegt. Ist aber eine ganz spezielle WLE-Lösung.
Als Beispiel möchte ich noch ein Video aus den 90ern verlinken (bitte ab Minute 11:00 ansehen). Dort sieht man eine Zugkreuzung auf einem unbesetzten Bahnhof; die Einfahrsignale wurden abgebaut, das Stellwerk allerdings zum Weichenstellen und zur Fahrstraßensicherung beibehalten.
Der Zugführer des ersten Zuges schließt das Stellwerk auf, nimmt die eingestellte "Durchfahrstraße" zurück, stellt Ein- und Ausfahrt für den zweiten Zug (beide Einfahrweichen und eine Flankenschutzweiche) und ruft ihn dann per Zp11-Rufsignal (das man im Film aber nicht sieht) herein:
https://www.youtube.com/watch?v=sw_5y2v_eNc
Wie man sieht befindet sich die Bedienungseinrichtung für das Rufsignal im F-Kasten. Der Zugführer muss einen Schlüsselschalter betätigen und halten und gleichzeitig mit einem Taster das Zp11-Signal erzeugen.
Man erkennt übrigens eine weitere typische Bundesbahnlösung für (zeitweise) unbesetzte Bahnhöfe: Im Grundstellung ist die Durchfahrt durch das durchgehende Hauptgleis mit einem besonderen Fahrstraßenhebel, dem "Duf-Hebel", festgelegt und über ein Hebelbahnschloß gesichert. Letzteres muss der Zugführer mit dem Zugführerschlüssel aufschließen bevor er die Duf-Fahrstraße zurücknehmen und Weichen umstellen kann.
Hallo,
H.M. hatte gebeten noch etwas zu den Privatbahnen zu schreiben, aber da wird es kompliziert und vielfältig.
Das maßgebliche Regelwerk ist die „Fahrdienstvorschrift für nichtbundeseigene Eisenbahnen“ (FV-NE), die bis 1984 „vereinfachte Fahrdienstvorschrift“ (vFV) hieß. Verglichen mit der Fahrdienstvorschrift der Staatsbahn ist diese nicht besser oder schlechter, aber anders:
Die FV-NE lässt den einzelnen Bahnen viel mehr Spielraum wie sie betriebliche Abläufe regeln. Daher hat jede Bahn eine „Sammlung betrieblicher Vorschriften“ (SbV), die neben den örtlichen Besonderheiten auch Ausführungsbestimmungen und Konkretisierungen der FV-NE enthält.
- Auf Basis der FV-NE kann man daher sehr kreativ sein und für die eigene Bahn teils sehr individuelle Lösungen und Vorgehensweisen entwickeln – solange die Aufsichtsbehörde mitmacht.
- Außerdem ist die Vorschrift schlanker, sie kennt etwa keine zweigleisigen Strecken und keine Fahrgeschwindigkeiten größer 100 km/h. Wer das hat muss es in der SbV selber regeln.
- Ferner regelt sie viele Dinge die die Staatsbahn in eigene Spezialvorschriften (Zugleitbetrieb, Bedienung von Signalanlagen, Bremsvorschriften...) auslagerte.
Allerdings konnte ich nicht herausfinden seit wann es die vFV als deutschlandweites Regelwerk gibt, ich vermute dass sie irgendwann in den 1930er Jahren eingeführt wurde. Davor scheint jede Bahn ihr eigenes Regelwerk besessen zu haben, oder es gab regionale Regelwerke (auch damals unterstanden die Privatbahnen der behördlichen Aufsicht der Länder). In der Literatur findet man immer wieder mal Quellenfragmente dazu, aber eine einheitliche Struktur konnte ich bisher nicht ausmachen – vielleicht kann hier jemand Licht ins Dunkel bringen?
Wie war das also mit Zugmeldebetrieb, Zugleitbetrieb und Trapeztafeln?
- Einmal gab es Privatbahnen mit klassischem Zugmeldebetrieb, mit Fahrdienstleitern besetzten Bahnhöfen, Stellwerken und Einfahrsignalen, alles wie oben bei der Staatsbahn beschrieben. In meiner niedersächsischen Heimat traf dies etwa auf Bahnen wie Farge-Vegesack, Rinteln-Stadthagen oder große Teile des OHE-Netzes zu, auch die Harzquerbahn funktionierte bis 1980 so.
- Dann scheint es – anders als bei der Staatsbahn – aber auch Zugmeldebetrieb mit besetzten Bahnhöfen ohne Einfahrsignale gegeben zu haben. Aus den Quellenfragmenten lese ich heraus dass dies z. B. bei der Südharzeisenbahn (SHE) so war. Hier gab es auch Spezialfälle wie den Bahnhof Wiedaerhütte: aus einer Richtung (mit schlechten Sichtverhältnissen) ein Einfahrsignal, aus den anderen Richtung keines.
- Damit es nicht langweilig wird hatten manche Bahnen auch noch ausgefallenere Lösungen, etwa schwenkbare Sh2-Scheiben an Stelle eines Einfahrsignals.
- Da wo kein Einfahrsignal stand gab es wohl örtliche Regelungen, und die scheinen vielgestaltig gewesen zu sein: der zweite Zug muss vor der Einfahrweiche halten bis er durch Handzeichen zur Einfahrt aufgefordert wird, der zweite Zug muss vor der Einfahrweiche halten bis er sieht dass der erste Zug grenzzeichenfrei zum Halten gekommen ist, Regelung der Einfahrreihenfolge im Buchfahrplan, feste und nicht änderbare Regelung der Einfahrreihenfolge in der SbV...
Alles in allem ein ziemliches Durcheinander. Da wird die Einführung der Trapeztafel und der entsprechenden Regelungen in der vFV ein willkommener Fortschritt gewesen sein. Wohlgemerkt, wir reden immer noch von Zugmeldebetrieb (Anbieten, Annehmen, Rückmelden) und mit Fahrdienstleitern besetzten Bahnhöfen.
Bedeutet das also dass vor Einführung des Zugleitbetriebes Züge nur auf mit Fahrdienstleitern besetzten Bahnhöfen kreuzen konnten? Nein, denn die vFV kannte früher eine heute längst vergessene Spezialität, die abhängige Zugmeldestelle. Konkret überliefert ist das zum Beispiel von der Gernrode-Herzgeroder Eisenbahn (GHE).
Dort gab es die mit Fdl besetzten Bahnhöfe Gernrode und Mägdesprung, und dazwischen die unbesetzten Bahnhöfe Sternhaus-Ramberg (abhängige Zugmeldestelle des Bf. Mägdesprung) und Sternhaus-Haferfeld (abhängige Zugmeldestelle des Bf. Gernrode).
Sollte nun ein Zug von Gernrode nach Mägdesprung fahren konnte der Fdl Gernrode diesen "einfach abfahren" lassen, ohne diesen vorher nach Mägdesprung anzubieten. In Sternhaus-Haferfeld meldete der Zug seine Ankunft nach Gernrode, und erst jetzt muss Gernrode den Zug nach Mägdesprung anbieten. In diesem Verfahren ist es auch möglich dass sich zwei Züge auf einer solchen "abhängigen Zugmeldestelle" kreuzen oder überholen. Man könnte sagen dass wir es hier mit zwei "kleinen Zugleitstrecken" zu tun hatten, auch wenn der Zugleitbetrieb mit den entsprechenden Begrifflichkeiten noch nicht erfunden war.
Noch ein Beispiel aus dem niedersächsischen Flachland: die Kleinbahn Hoya-Syke-Asendorf hatte nur Fdl auf den besetzten Bahnhöfen Hoya, Bruchhausen-Vilsen, Syke und Asendorf (zu allen Zeiten ohne irgendwelche Einfahrsignale oder Stellwerke). Trotzdem wurde auf den dazwischen liegenden unbesetzten Bahnhöfen fleißig gekreuzt, eben mit der Methode der "abhängigen Zugmeldestelle".
Durch Einführung des Zugleitbetriebes als "ganzheitliche Betriebsform" wurde dieses Verfahren obsolet, und irgendwann aus den Vorschriften getilgt. Meine älteste vFV ist von 1967, und da gab es das schon nicht mehr.
P.S.: Da wir hier ja in einem Modellbahnforum sind: die Variante mit der abhängigen Zugmeldestelle finde ich aus historischer Sicht total spannend. Für den Modellbahnbetrieb würde ich davon aber (bei aller Epochentreue) die Finger lassen, so ein Verfahren finde ich ganz schwer erklär- und vermittelbar. Wer eine Nebenbahn mit unbesetzten Bahnhöfen in Epoche 2 betreibt ist sicher gut beraten dass im ganz klassischen Zugleitbetrieb zu tun, das funktioniert gut, ist nachvollziehbar und kann von allen Mitspielern leicht verstanden werden.
Ich sag nur: Wow - eine solche klare Darstellung von Betriebsvarianten in Deutschland habe ich noch nie und nirgendwo gelesen!
(Wenn Du irgendwann Zeit hast, lass uns mitwissen, woher Du das weißt - ist es wo erklärt, halbwegs durchgängig oder nur bruchstückweise, oder hast Du's "reverse engineered" aus "nackten Betriebsunterlagen"? insbesondere die Beispiele? Ich frag nur, weil ich auch gern selber die Urquellen ein wenig interpretieren dürfen würde ...).
In Österreich wüsste ich von solchen personalsparenden Betriebskonzepten wie "abhängigen Zugmeldestellen" nichts - es gab aber auch weniger "Privatbahnen mit Einsparungswillen" (a la Bachmann oder auch GHE usw. in Deutschland): Vielleicht waren wir doch immer "staatsgläubiger": Wenn sich ein Betrieb nicht auszahlt, soll doch bitte gefälligst "von oben" das Geld für die nötigen Dienstposten fließen ... aber das sind nun Spekulationen jenseits des Eisenbahnbetriebs. Ende OT.
H.M.
Oh, danke für die Blumen...
Zitat von hmmueller im Beitrag #63
In Österreich wüsste ich von solchen personalsparenden Betriebskonzepten wie "abhängigen Zugmeldestellen" nichts - es gab aber auch weniger "Privatbahnen mit Einsparungswillen" (a la Bachmann oder auch GHE usw. in Deutschland): Vielleicht waren wir doch immer "staatsgläubiger": Wenn sich ein Betrieb nicht auszahlt, soll doch bitte gefälligst "von oben" das Geld für die nötigen Dienstposten fließen ... aber das sind nun Spekulationen jenseits des Eisenbahnbetriebs. Ende OT.
Hier der Versuch einer Erklärung:
Bis 1945 gab es ja in Deutschland viele Länder, aber rund 2/3 des Staatsgebiets bestanden ja aus dem Land Preußen, das seinerseits nochmal in viele Provinzen aufgeteilt war. In Preußen wurden Eisenbahnen nach dem "Allgemeinen Eisenbahngesetz" von 1838 gebaut. Dessen Anforderungen an Oberbau, Fahrzeuge und Betriebsabwicklung entsprachen dem Standard der preussischen Staatsbahn. Auf dieser Rechtsgrundlage war es privaten oder kommunalen Initiativen kaum wirtschaftlich möglich Nebenbahnen für kleine Verkehrsbedürfnisse zu projektieren.
Das änderte sich als 1892 das preußische Kleinbahngesetz herauskam: hier wurde eigens die Rechtsform "Kleinbahn" geschaffen, diese ermöglichte erheblich "einfachere" Bahnen für die eben auch eigene Betriebsregelwerke geschaffen wurden. In der Folge erlebte Preußen einen jahrzehntelangen Kleinbahnboom.
Wie gesagt, das stimmt so nur für Preußen, ob es analoge Möglichkeiten z. B. in Bayern oder Sachsen gab weiß ich nicht. Aber ich denke dass hier die Keimzelle dafür liegt dass es in Deutschland immer zwei "parallele Eisenbahnuniversen" gab.
Funfact: In meinem Geburtsort Hoya (Weser) gab es zwei Privatbahnen. Die Kleinbahn Hoya-Syke-Asendorf (HSA) war der von Streckenlänge und Verkehrsaufkommen erheblich größere Betrieb, die benachbarte Hoyaer Eisenbahn-Gesellschaft (HEG) war deutlich kleiner, legte aber immer größten Wert darauf dass sie (nach dem Gesetz von 1838 betrieben) eine "richtige" Eisenbahn und keine Kleinbahn sei. Das schlug sich z. B. in der Besoldung der Mitarbeiter nieder... Heute ist das alles Geschichte, beide Unternehmen fusionierten 1963, aber es dauerte Jahrzehnte bis diese Grenze in den Köpfen abgebaut wurde.
Zitat von Sebastian im Beitrag #61
- Damit es nicht langweilig wird hatten manche Bahnen auch noch ausgefallenere Lösungen, etwa schwenkbare Sh2-Scheiben an Stelle eines Einfahrsignals.
Die hießen dann Deckungsscheiben. Die von Sebastian mehrfach erwähnte Gernrode - Harzgeroder Eisenbahn hatte lt. Zieglgänsberger solche anstatt von ESig. Andere Bahnen auch, ich habe ansatzweise darüber geforscht, bin aber nicht weit gekommen. Hier wäre es OT, daher mache ich ggf. ein separates Thema dazu auf.
Schönen Feiertag
Guß
Otto
Um die Sache „rund“ zu machen folgt nun noch etwas Historie über die Entstehung des Zugleitbetriebs und wie die Trapeztafel geboren wurde. Einschränkend sei angemerkt dass für die Zeit vor dem 2. Weltkrieg die Quellenlage ausgesprochen dünn ist – am aufschlussreichsten sind die einschlägigen Fachzeitschriften wie die „Verkehrstechnische Rundschau“ oder „Signal und Draht“, die etwa in manchen Unibibliotheken zugänglich sind – aber mehr als da mal punktuell querzulesen habe ich noch nicht geschafft.
In den 1920er gerieten die deutsche Eisenbahnen erstmals unter Rationalisierungsdruck – Nachfolgen des verlorenen Krieges, Hyperinflation, Weltwirtschaftskrise und die aufkommende Straßenkonkurrenz zwangen damals schon die ersten Kleinbahnen in die Knie. Mit Interesse beobachtete die Fachwelt damals den völlig anders organisierten Eisenbahnbetrieb in den USA bei dem die Zugfolge von jeher nicht dezentral mit örtlichen Fahrdienstleitern sondern teils zentralisiert durch einen Dispatcher, teils örtlich durch die Zugpersonale organisiert wurde. Diverse Aufsätze in der deutschsprachigen Fachpresse untersuchten damals die Übertragbarkeit auf europäische Verhältnisse.
Eine Pionierrolle hatte die Extertalbahn, eine elektrische Kleinbahn im Süden Niedersachsens, die bereits ca. 1925 ihren gesamten Betrieb von einem einzigen „Zentralfahrdienstleiter“ im Bf. Bösingfeld regeln ließ – offenbar eine Parallele zur Vorreiterfunktion der Zillertalbahn in Österreich Jahrzehnte später.
In den 1930er Jahren passierte dann ganz viel. In diesem Jahrzehnt wurden praktisch alle Regelwerke der deutschen Eisenbahnen neu verfasst, umorganisiert und harmonisiert, insbesondere überkommene Regelungen und Signale aus der Länderbahnzeit harmonisiert und vereinheitlicht. Neben einer neuen Eisenbahnbau- und Betriebsordnung, Fahrdienstvorschrift und vFV entstand auch 1935 ein neues Signalbuch das erstmals die Trapeztafel beinhaltete. Wie oben geschrieben hatte die zuerst nicht primär etwas mit Zugleitbetrieb zu tun, vielmehr erlaubte sie – zusammen mit Änderungen der Fahrdienstvorschrift - die Einfahrt in Bahnhöfe ohne Einfahrsignal einheitlich und sicher zu regeln.
Parallel – oder kurze Zeit später – tauchte dann der Zugleitbetrieb auf, und zwar parallel im Regelwerk der Staatsbahn als auch in der vFV-Welt der Privatbahnen. Wie zuvor bemerkt nutzte die Staatsbahn den Zugleitbetrieb in den folgenden Jahrzehnten eher zögerlich, die meisten Nebenbahnen wurden weiterhin im Zugmeldebetrieb („Regelbetrieb“) befahren. Die Privatbahnen stellten hingegen schon in den 1950er Jahren reihenweise auf Zugleitbetrieb um, machten Bahnhöfe „personalfrei“ und senkten so ihre Kosten. Auch später waren vieler dieser Betriebe innovationsfreudiger als die DB und nutzten ab ca. 1960 mit Zugleitfunk, Rückfallweichen und Einmannbetrieb im Personenverkehr weitere Rationalisierungspotenziale aus. Das Zugmeldeverfahren - mit Fdl besetzte Bahnhöfe - wurde dadurch aber, zumindest bei Privatbahnen, zur eher seltenen Ausnahme. Privatbahnen mit hohem Verkehrsaufkommen die sich diesen Luxus weiterhin leisteten (etwa die Köln-Bonner-Eisenbahnen, auch die Tegernseebahn bis in die 1990er) hatten dann meist eine staatsbahnähnliche Infrastruktur mit richtigen Stellwerken; daher meine eingangs geäußerte Skepsis noch Bahnhöfe mit Fdl-Besetzung UND Trapeztafeln in nennenswerter Zahl zu finden.
Es sei noch angemerkt dass in Deutschland für den Zugleitbetrieb jahrzehntelang drei parallele Regelwerke existierten:
- Deutsche Bundesbahn: Zugleitbetrieb nach DV436
- NE-Bahnen: Zugleitbetrieb nach vFV bzw. FV-NE
- Deutsche Reichsbahn: Zugleitbetrieb nach VND ("vereinfachter Nebenbahndienst")
Diese Regelwerke sind sich grundsätzlich ähnlich, haben sich aber weiterentwickelt und weisen im Detail (so bei Wortlauten und Bedeutung der Zuglaufmeldungen) durchaus Unterschiede auf. Ich weise extra darauf hin da man bei vielen im Internet verfügbaren Sekundärquellen (DSO, Wikipedia) leicht in die Irre geführt wird: viele Autoren glauben da die Wahrheit gepachtet zu haben, zeigen einen Schnipsel aus irgendeiner Vorschrift oder berichten aus eigenem Erleben und behaupten, so, und nur so sei es richtig (gewesen). Aber das ist bei Berichten über Regelwerke des Eisenbahnbetriebes ein generelles Problem.
So langsam mutiert der Thread zum Blog... aber es treffen diverse Rückmeldungen ein dass das hier doch interessant ist, daher möchte ich noch auf zwei interessante Details des Zugleitbetriebs eingehen.
Wer die aktuelle FV-NE studiert findet den § 20 "Kreuzungen und ihre Verlegung", und darin den Abschnitt (6) "bleibt frei". Offensichtlich hat da mal etwas gestanden was später wegfiel? Richtig, da befand sich früher die "Kreuzung ohne Zuglaufmeldung".
Heute kennt man Kreuzungen im Zugleitbetrieb ja nur so: beide Züge bekommen eine Fahrerlaubnis bis zum Kreuzungsbahnhof, geben dort je eine Ankunftsmeldung, erhalten je eine neue Fahrerlaubnis für die Weiterfahrt und fahren weiter. Früher gab es mit § 20 (6) ein Hintertürchen das es erlaubte eine Kreuzung völlig ohne Zuglaufmeldung abzuwickeln.
Der Grund ist schlicht dass manch arme Kleinbahn gar nicht an allen Betriebsstellen einen Fernsprecher bzw. einen Anschluss an die Zugmeldeleitung hatte! So durfte für bestimmte Betriebsstellen in der SbV festgelegt werden dass dort Kreuzungen ohne Zuglaufmeldung zulässig waren. Dann bekam etwa ein Zug 4711 im Bahnhof A-Dorf die Fahrerlaubnis "Zug 4711 darf 15.10 Uhr bis C-Stadt fahren, in B-Hausen Kreuzung mit Zug 0815.", der andere Zug sinngemäß "Zug 0815 darf 15.12 Uhr bis A-Dorf fahren, in B-Hausen Kreuzung mit Zug 4711." In B-Hausen wickelten beide Züge die Kreuzung ab und fuhren dann einfach weiter.
Zulässig war das nur auf Bahnhöfen die in der SbV explizit dafür zugelassen wurden, nur bei planmäßigen Regelzügen (also nicht für Bedarfs- oder Sonderzüge), die im Fahrplan vorgesehene Einfahrreihenfolge musste strikt eingehalten werden, und zwischen zwei "richtigen" Kreuzungen mit Zuglaufmeldung durfte nie mehr als eine Kreuzung ohne Zuglaufmeldung eingeplant werden. In den 1980er Jahren war dieses Verfahren noch auf vielen Privatbahnen sehr gängig, wohl nicht nur weil es auf dem Kreuzungsbahnhof keinen Fernsprecher gab (die meisten Bahnen hatten längst Zugleitfunk) sondern schlicht aus Faulheit.
Naheliegend ist natürlich das Risiko dass eine Zugkreuzung auf diese Weise schnell "vergessen" wird - man hat ja schon eine Fahrerlaubnis über den Kreuzungsbahnhof hinaus. Das passierte auch, und nachdem es Anfang der 1990er zwei schwere Unfälle aus genau diesem Grund gab (bei Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser sowie der Eisenbahn Altona-Kaltenkirchen-Neumünster) wurde die Kreuzung ohne Zuglaufmeldung abgeschafft, § 20 (6) "bleibt seitdem frei".
P.S.: Diese Regelung gab es stets nur in der "Welt" der vFV/FV-NE, beim Zugleitbetrieb der DB und DR war so etwas nie vorgesehen.
Zitat von OOK im Beitrag #65
Zitat von Sebastian im Beitrag #61-Zitat
Damit es nicht langweilig wird hatten manche Bahnen auch noch ausgefallenere Lösungen, etwa schwenkbare Sh2-Scheiben an Stelle eines Einfahrsignals.
Die hießen dann Deckungsscheiben. Die von Sebastian mehrfach erwähnte Gernrode - Harzgeroder Eisenbahn hatte lt. Zieglgänsberger solche anstatt von ESig. Andere Bahnen auch, ich habe ansatzweise darüber geforscht, bin aber nicht weit gekommen. Hier wäre es OT, daher mache ich ggf. ein separates Thema dazu auf.
Das ist gar nicht nötig, denn das hatten wir schon mal angefangen: Stellbare Sh2-Tafeln
Ich habe dort soeben etwas gepostet.
Gruß
Otto
Hallo Signalabhängige,
in diesem Thread wurde schon teilweise Betriebsverfahren in D und A gegenübergestellt. Dazu habe ich eine Frage zu den Regeln in Österreich, wo vielleicht jemand (H.M.?) weiterhelfen kann?
1999 besuchte ich erstmals die Ybbstalbahn und war von dem flotten und interessanten Schmalspurbetrieb begeistert, nicht ahnend dass davon 10 Jahre später fast nichts mehr übrig sein sollte. Ich fuhr im Packwagen mit und interviewte den Zugführer. Die Strecke wurde damals noch im klassischen Zugmeldeverfahren betrieben, die Bahnhöfe hatten Fahrdienstleiter, einfache Stellwerke zur Weichenstellung und Fahrstraßensicherung, jedoch keine Hauptsignale sondern Trapeztafeln (in meiner Erinnerung hatte nur der Abzweigbahnhof Gstadt Einfahrsignale). Der hier diskutierte Fall "mit Fdl besetzter Bahnhof im Zugmeldebetrieb mit Trapeztafel", in Deutschland zwar möglich aber äußerst selten, scheint bei den Nebenbahnen in Österreich sehr verbreitet gewesen zu sein.
Irgendwo unterwegs (weiß nicht, war es Großhollenstein?) hielt der Zug an, der Fahrdienstleiter stieg zu uns in den Packwagen und der Zug fuhr ab, mit dem Fdl an Bord! Auf dem nächsten Bahnhof, der eigentlich unbesetzt war, stieg letzterer aus, wickelte die Zugkreuzung ab und fuhr dann mit dem Gegenzug zurück zu seinem Heimatbahnhof. Ich war total fassungslos dass so etwas möglich ist, der Zugführer bestätigte aber dass das so vorgesehen und täglich angewendet wurde.
Nun die Frage an die Söhne Austrias: ist diese Vorgehensweise tatsächlich im österreichischen Regelwerk so vorgesehen? Und wenn ja, war das eine exotische (Ybbstal-)Spezialität oder auf vielen Nebenbahnen gängig?
Fragt
Sebastian
Hallo Sebastaion -
Kurz und knapp: Von sowas hab ich bisher nie gehört! - bin ebenso absolut überrascht.
Regelwerk: Ich nehme an (aber das müsste man sich genau ansehen), dass das Regelwerk das schon hergibt, wenn man es nur spitzfindig genug auslegt - übrigens denke ich, dass das auch in D gehen würde, die Texte der alten V3 und FV (Ril 408) unterscheiden sich in Bezug auf die Verantwortungen kaum.
... weil ich die V3 von 1962 grad vor mir habe: §7 (4) sagt: "Auf jeder Zugfolgestelle muß, außer in den Fällen zu §12 (5) und (6), während der Dauer des Dienstes ein Fahrdienstleiter anwesend sein ...". In §12 (5) steht allerdings eine "Generalausnahme": "Die Direktion kann anordnen, dass einzelne Zugfolgestellen für bestimmte Zeiten ausgeschaltet werden." ...
... halt: Das war ja 1999! Die V3 von 1997 sagt in §2 (1) a: "Bahnhöfe sind - ausgenommen bei Fernbedienung oder während einer Dienstruhe - mit Fdl (Geschäftsführer) besetzt." Mhm - schwierig, da rauszukommen - man muss offenbar nach "Dienstruhe" suchen - ok, §56: "§ 56 Dienstruhe
(1) Bahnhöfe und Blockposten können zeitweise unbesetzt bleiben (Dienstruhe). Dienstruhe bestimmt die Betriebslenkung im "Verzeichnis der Betriebsstellen mit Dienstruhe". Dieses ist in den Bahnhöfen der jeweiligen Strecke, erforderlichenfalls auch in Zugausgangs- und Befehlsbahnhöfen außerhalb der Strecke aufgelegt.
(2) Das Verzeichnis enthält:
a) Beginn und Ende der Dienstruhe (mit/ohne planmäßigen Zugverkehr),
b) Stellung der Signale,
c) besondere Maßnahmen.
(3) Der Dienst darf eingestellt werden, wenn der letzte, vor der Dienstruhe verkehrende Zug eingetroffen oder rückgemeldet ist (Ausnahmen genehmigt BT)."
Aha! - BT = "Betriebsteil Netz" kann also sagen, dass der Dienst sogar eingestellt werden darf, wenn der letzte verkehrende Zug (der mit dem Fdl!) NICHT rückgemeldet ist (weil er mit dem Fdl unterwegs ist). Na sowas.
"Bahnhöfe warten die Einstellungsmeldung der Streckenwärter ab. Die Einstellung wird den nächsten im Dienst befindlichen Fdl gemeldet.
(4) Während der Dienstruhe müssen Fahrten auf den durchgehenden Hauptgleisen auf geprüften und gesicherten Fahrstraßen erfolgen können. Bei örtlichen Besonderheiten oder wenn ausnahmsweise andere Gleise vorgesehen sind, trifft die Betriebslenkung die nötigen Anordnungen (Bf-Do, Verzeichnis).
(5) Bahnhöfe mit Dienstruhe scheiden als Zugfolgestellen aus."
Dann einiges über Signale - aber da gabs ja keine; und dann noch
"(11) Die Wiederaufnahme des Dienstes wird den benachbarten, im Dienst befindlichen Fdl gemeldet. Der den Dienst aufnehmende Mitarbeiter muß dabei über alle Besonderheiten unterrichtet werden, die zur sicheren und ungestörten Weiterführung des Dienstes notwendig sind."
Rest sind Schrankenwärtersachen, ausnahmweise Durchführung von Zug- oder Nebenfahrten und so Krimskrams, der während dieser kurzen planmäßigen Abwesenheit nicht passieren dürfte; bzw. wenn, kriegt man das auch hin.
Also so richtig verboten war's offensichtlich nicht. Staunenswert.
H.M.
Ok, dann habe ich da wohl eine Spezialität entdeckt...
Mein Mitreisender von damals erinnerte mich daran dass wir auf der Rückfahrt einen längeren Aufenthalt in Gstadt hatten und den dortigen Fahrdienstleiter (sehr nett!) ausfragten, der bestätigte dass dieses Vorgehen so üblich sei.
Die (wenigen und schlechten) Fotos dieser 10tägigen Österreichrundfahrt lassen mich gerade staunen... das ist erst 20 Jahre her, und trotzdem eine versunkene Welt! Führerstandsmitfahrten auf der 2095 nach Groß Gerungs, dortselbst Rollwagenverkehr, Rangieren mit Schwerkraft in Attersee, alte Straßenbahnen in Innsbruck und Wien, Rangieren mit Abstoßbetrieb in Graz Süd, Korridorzüge über den Brenner nach Lienz, Güterverkehr nach Bad Gleichenberg...
Die ÖBB und überhaupt die ganze österreichische Eisenbahn wirkten "gefühlt" wie die DB 20 Jahre früher, nur mit besserem Wetter, schönerer Landschaft, noch massenhaft örtlichem Personal, Fdl im Aufnahmsgebäude, höhengleichen Schüttbahnsteigen, sehr zugänglichen und unkomplizierten Eisenbahnern (sooft wir fragten durften wir jedes Stellwerk und jeden Führerstand betreten), vielen Güterwagen auf vielen Anschlussgleisen.
#72 RE: Mobiler Fahrdienstleiter
Hallo Signalabhängige!
Vor Monaten hatten wir hier diskutiert ob es Bahnhöfe ohne Einfahrsignale auch im Zugmeldebetrieb geben würde. Damals (#51 und #61) hatte ich argumentiert dass das nach Vorschriftenlage grundsätzlich zulässig sei, jedoch bei der Staatsbahn niemals, bei NE-Bahnen schon vorkam; letzteres resultierte aber nur aus eigenen Beobachtungen, insbesondere für die Zeit vor 1935 (Einführung der im Prinzip heute noch gültigen Fahrdienstvorschriften + Einführung des Zugleitbetriebes + Erfindung der Trapeztafel) beklagte ich die schlechte Quellenlage. Mittlerweile gibt es ein paar neue Erkenntnisse an denen ich euch teilhaben lassen möchte.
In der Vorschriftenwelt vor 1935 gab es ja nur Zugmeldebetrieb, also mit Fahrdienstleitern besetzte Bahnhöfe, egal ob bei Staatsbahn oder Kleinbahn. Einfahrsignale mussten abhängig von der Streckengeschwindigkeit aufgestellt werden, nämlich ab 50 km/h. Bei geringeren Geschwindigkeiten durfte darauf verzichtet werden - wenn ein Fdl über das Zugmeldeverfahren einen Zug vom Nachbarbahnhof annahm musste er rechtzeitig den Fahrweg für die Einfahrt des Zuges freimachen und einstellen (wobei es meist lokale Bestimmungen gab wie viele Minuten "rechtzeitig" waren). Ein Zug der sich einem Bahnhof ohne ESig näherte durfte prinzipiell immer direkt einfahren, der Triebfahrzeugführer musste halt darauf achten dass der Fahrweg richtig liegt.
Diese Bestimmungen galten offenbar gleichermaßen bei der DRG und den Kleinbahnen. Und das widerspricht nicht der eingangs geschilderten Beobachtung: Schon in der Epoche 2 hatten staatliche Nebenbahnen typischerweise Höchstgeschwindigkeiten von 50 oder 60 km/h und somit Einfahrsignale. Staatliche Nebenbahnen niedrigerer Höchstgeschwindigkeit gab es zwar (etwa viele der bayerischen Lokalbahnstrecken), sie waren auf das Gesamtnetz der DRG bezogen aber selten. Die Kleinbahnen hingegen fuhren in jenen Jahren meist 30, manchmal 40 km/h und konnten auf ESig verzichten.
Fazit: Staatsbahn ohne Einfahrsignale war erlaubt, kam aber selten vor da die Staatsbahn dafür nicht langsam genug fuhr...
Interessantes habe ich im neuen (sehr spannenden!) Moselbahnbuch von Kenning gefunden; eine klasse Monografie die auch sehr ausführlich und kompetent auf Betriebsverfahren und Sicherungstechnik eingeht.
Die Moselbahn hatte genau das, Fdl (und Stellwerke!) auf allen Bahnhöfen, aber keine Einfahrsignale bei einer Streckenhöchstgeschwindigkeit von 40 km/h. Als man diese in den 1930ern zur Fahrzeitverkürzung auf 50 km/h anhob machte die Aufsichtsbehörde zur Auflage dass nun überall Einfahrsignale aufzustellen seien - damit fing man an, aber kriegsbedingt ging dieses Upgrade sehr schleppend voran. Jedoch: 1943 stimmte die Aufsicht zu den Betrieb der Moselbahn auf die 1935 neu geschaffene "vereinfachte Fahrdienstvorschrift" vFV (also die heutige FV-NE) umzustellen, und die erlaubte auch 50 km/h ohne Einfahrsignale. Weitere ESig wurden daher nicht mehr aufgestellt. Und in den 1950ern erfolgte schließlich die Umstellung auf Zugleitbetrieb bis zur Stilllegung 1968.
Gruß,
Sebastian
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