Sichtbare Steigungen

27.12.2021 22:58
#1 Sichtbare Steigungen
avatar

Hallo Leute,
heute wende ich mich mal mit einer konkreten Frage zum Anlagenbau an euch.
Mein Sottrup ist ja nun die erste echte, feste Heimanlage die ich baue, entsprechend hab ich noch nicht wirklich viel Ahnung von Dauerbetrieb und optischer Wirkung. Also los.

Otto beklagt sich ja desöfteren, daß der gemeine Modellbahner vor vorbildgerechten bzw. identitätsstiftenden Steigungen zurückschrecke.
Bei mir ist es nun genau andersherum. Ich bin mir unsicher, ob ich eine zu große sichtbare Steigung bauen soll.
Kontext:
Ich baue eine Industrie- und Hafenbahn einer Norddeutschen Mittelstadt. Flacher und befreiter von geographischen Highlights gehts also eigentlich gar nicht.
Nun soll die Anlage aber doch (zumindest zum Teil) ein zweites Niveau bekommen.
Der Abstieg soll komplett sichtbar auf der mittleren Zunge geschehen, auf einer Strecke von 4 m.
Der Rahmen der oberen Ebene ist 6 cm hoch, das Lichtraumprofil in H0 ungefähr auch.
Mindestens muss ich also 12cm runter, das wären 3%.
Ich könnte aber auch 20cm runter, mit 5%.
Danach, also im Bereich der unteren Ebene, ebenfalls voll einsehbar, müsste die Strecke in jedem Fall noch weiter fallen um Kopffreiheit für die Züge und Eingriffsfreiheit für die Hände zu schaffen.

Ich hole mir in ein fast völlig ebenes Sujet also kilometerlange Steilstrecken.
Die Bahnen, an denen ich mich orientiere bzw. die ich prototype-frelancend erweitere haben natürlich auch Steigungsabschnitte, aber nicht so heftig...

Jetzt die Geschmacksfrage an euch:
Würde euch das auffallen, wenn ihr vor so einer Anlage steht?
Würde es für euch die Indentität stören, wenn ihr so etwas seht?

Auf Meinungen ist gespannt
Alex


 Antworten

 Beitrag melden
28.12.2021 08:19 (zuletzt bearbeitet: 28.12.2021 08:31)
#2 RE: Sichtbare Steigungen
avatar

Moin,

gerade die Flachland-Tiroler nördlich des Harzes wussten bei Zufahrten zu ihren Häen oder bei der Überführung von Schiffahrtskanälen knackige Steigungen einzubauen, Stichwort Altonaer Hafenbahn. Von daher halte ich solche Steigungen für identitätsstiftend und würde sie müssen, wenn sie nicht wären.

Grüße

Jörn


 Antworten

 Beitrag melden
28.12.2021 10:49
avatar  epo2
#3 RE: Sichtbare Steigungen
avatar

Hallo Alex,
Antwort auf die Geschmacksfrage: ja, nein, kommt darauf an.
Zur Steigung: meine 64er von Fleischmann ohne Haftreifen zieht bei 3% max. zwölf 2-Achser. Bei größerer Steigung oder Last schleudert sie.
Zum Vorbild: auch in Norddeutschland findet man Steigungen. Altona (danke Jörn), Ölmühle Kiel aus OOKs Rangierbuch (2,3%) oder auch die OHE in der Lüneburger Heide mit Steigung bis 1,7%.
Zum Modell: eine vorbildgerechte Steigung wäre ellenlang. Da hier alles verkürzt ist, kann eine Passage steiler sein, um überhaupt aufzufallen. Dabei spielt sicher eine Rolle, wie sie in die Anlage eingebettet ist: Läuft sie zwischen Gebäuden entlang oder in flacher Landschaft.
Man kann ja auch auf der Zunge eine "Extrarunde" im Untergrund einlegen. Wenn Tunnelein- und ausfahrt beieinanderliegen verlierst du auch die PAN nicht. Es ist nur eine kluge Ausrede nötig: flacher Hügel mit Einschnitt; Gebäude; Brücken; 100 Kinder, die ihre Drachen im Pulk fliegen lassen (;-).
Zur Geschmacksfrage: wenn das Thema an dieser Stelle der Anlage stimmt (z. B. Hügel, die Geestkante, ein Flußtal, ein Industriegelände) würde mich das nicht stören; ein Fluß, der scheinbar unter einer Kaimauer hindurchläuft, vielleicht schon.
Soviel von einem praktischen Theoretiker.
Viel Grüße
Ralf

Langsam kommen wir in das Alter, wo man ... hier, Dingens.

 Antworten

 Beitrag melden
28.12.2021 11:26 (zuletzt bearbeitet: 28.12.2021 11:31)
avatar  Gilpin
#4 RE: Sichtbare Steigungen
avatar

Hi Alex,

ich teile Jörns Meinung (nicht Beobachtung aus eigener Anschauung), dass die Planer des Vorbilds

Zitat von Silbergräber im Beitrag #2
bei Zufahrten zu ihren Häfen oder bei der Überführung von Schiffahrtskanälen knackige Steigungen einzubauen
pflegten; die Altonaer Hafenbahn bekam sogar eine eigene Gebirgslokbaureihe spendiert. - 3% sind wünschenswert, größer als 5% wohl übertrieben: in Altona wurde die Strecke für den Lokomotivbetrieb extra flacher gestaltet!

Ich meine auch, dass ich Deine grundsätzliche Anlagenkonstruktion kapiert habe. Trotzdem wünsche ich mir, bitte, eine Skizze. Es käme bei Deinem Design nicht nur auf die Eingreiftiefe an, sondern auch auf Helligkeit (Hast Du für Beleuchtung die 6 cm Rahmenhöhe eingeplant?) und genügende Trennung der oberen und unteren Ebene aus Gründen der Optik. Ich befürchte, dass z.B. ein fahrender Zug auf der oberen Ebene die Aufmerksamkeit automatisch vom Geschehen auf der unteren wegziehen würde. Bei Ein-Mann-Betrieb nur einer Rangiereinheit gleichzeitig kann das nicht vorkommen, aber wenn eine Straßenbahnlinie automatisch ihre Runden dreht - da war doch mal was...

Ich wünsche Dir produktive Tage bis Sylvester,
Reiner


 Antworten

 Beitrag melden
28.12.2021 11:27
#5 RE: Sichtbare Steigungen
avatar

Hallo Alex, Jörn hat dir ja schon einen Ausweg zu deinen Bedenken gezeigt; du kannst aber auch deine Strecke bisschen weiter nach Süden verlegen (ich denke da zB an den Teutoburger Wald, da gibt es schon ein paar Berge); aus meiner Kurpfälzer Sicht ist das immer noch ziemlich Norddeutschland. Und Häfen gibt es auch an der Weser und am Mittellandkanal.

Was aber aus betrieblicher Sicht gut zu überlegen ist, ist der Parameter Maximalsteigung! 50 Promille ist schon ziemlich grenzwertig, da wirst du deine Zuglängen ziemlich begrenzen müssen! 30 Promille ist noch machbar, wenn die Züge einigermaßen kurz bleiben. Dabei spielen die Radien in den Steigungsstrecken auch noch eine Rolle, das kann nach meiner Erfahrung bis 5 Promille Unterschied ausmachen.

Zum Vergleich: In Triptis II beträgt die maximale Steigung 23 Promille (Hauptstrecke Gerade oder Nebenstrecke im Bogen), auf der Hauptstrecke kann ich da bis 2,50 m lange Züge mit einem 4- oder 5-Kuppler ziehen. Für meinen längsten Zug mit ca. 3,60 m brauche ich schon eine 44 mit einer 95 in Doppeltraktion, wobei die 44 einen Kardanantrieb hat. Die 44 schafft es trotz ihrer sieben angetriebenen Achsen gerade nicht mehr allein. Auf der Nebenstrecke kann ich kürzere Züge (bis ca. 1,20 m) auch mit kürzeren Loks (zB 86 oder 93) befördern.

Ein 50 Promille-Streckenstück gibt es auch, das ist aber eine reine Gefällestecke, da muss der Lokführer echt drosseln, sonst werden die Züge zu schnell.

Für die optische Wirkung ist die Breite der mittleren Zunge bestimmend, denn du wirst ja die Steigungsstrecke sicher "außen rum" führen, da wäre ein Radius in der Nähe von einem Meter schon ganz schön. Aber hast du Platz für eine Zwei-Meter-Zunge? Bei mir umrundet ein Bogengleis mit 0,7 m Radius oben auf der mittlere Zunge das Bw, da musste ich hier bei der Planung schon Einiges an (konstruktiver!) Kritik lesen, siehe auch
Triptis II - Planung eines Bahnbetriebswerks

Mit Hp1-Gruß - Helmut


 Antworten

 Beitrag melden
28.12.2021 17:29
#6 RE: Sichtbare Steigungen
avatar

Moin Leute,
schon mal für eure rege Anteilnahme!

Hier nochmal ein Plan der oberen Ebene und Mittelzunge:

https://abload.de/image.php?img=screensh...12-281awjqc.png

Die Bereiche im rechten Raum entlang der Wand liegen alle auf 130 cm, topfeben.
Auf der Mittelzunge senkt sich das gesamte Gelände mit Kleingärten und Siedlungshäusern zur Obereider hin, also von rechts nach links. Die parallel zur Obereider schwenkende Strecke taucht unter den an der Wand liegenden Abschnitt, nachdem sie den Streckenast zum Hafen unterquert hat.
In der folgenden unteren Ebene entlang der Wand* müsste es entsprechend auch noch eine Steigung geben, um einen gestalteten Fiddleyard zu erreichen.

Was mich umtreibt ist weniger die Existenz eines steilen Abschnitts, sondern eher daß der Abschnitt so lang und so steil werden würde.

Die Zuglänge ist durch die Umsetzgleise auf 2m begrenzt, vor einer Mehrfachtraktion mit den typischen Industriedreiachsern würde ich nicht zurückschrecken. Die volle Zuglänge würde sich aber eh nur ergeben, wenn ab und zu Ganzzüge zu befördern wären. Zur Not könnte auch die 218 oder 220 der Staatsbahn diesen Job übernehmen.

Die Radien bewegen sich auf den Streckengleisen alle im Bereich um 75cm.

Eine Idee für den Bereich (*) wäre, nicht nur die Trasse, sondern auch die Landschaft schräg zu stellen. So fährt der Zug wieder durch die Ebene, man muss nur den Kopf schief halten.

So weit erstmal,
Alex

P.S.: Ja Reiner, die Straßenbahn gibts noch, oberhalb des Hafenbeckens befährt sie eine Wendeschleife ;)


 Antworten

 Beitrag melden
24.06.2022 18:54
avatar  OOK
#7 RE: Sichtbare Steigungen
avatar
OOK

Hallo Alex,
habe gerade diesen seit Jahresanfang ruhenden Strang entdeckt und möchte etwas dazu sagen. Ich bin ja nicht nur ein Promoter identitätsstiftender Neigungen (wie du richtig angemerkt hast), sondern auch ein absoluter Verfechter des PAN. Das ist bei dir völlig hinten runter gefallen. Meine Frage, ehe ich alternative Vorschläge mache: Was ist mit dem Raum zwischen den Reihenhäusern/Grünfläche und der Deutschen Bundespost? Muss der frei beiben oder kann der genutzt werden?
Gruß

Otto

OOK
Heute schon in den ADJ-Blog geschaut?
https://www.jaffas-moba-shop.de/anlagen-design-journal/

 Antworten

 Beitrag melden
24.06.2022 19:59
#8 RE: Sichtbare Steigungen
avatar

Moin Otto,
Du hast ganz genau die große Krux meines Kellerraums erkannt:
Sowohl rechts als auch links hat es eine Tür und der Gang dazwischen führt vom Keller rechts im Endeffekt nach links nach draußen. Der muss unter allen Umständen frei bleiben, weil man eben sonst nicht anständig von draußen in den Keller kommt.

Inzwischen habe ich mich besonders dank Helmuts Einwurf für die 3%-Variante entschieden, und es sieht tatsächlich deutlich weniger dramatisch aus, als ich es mir vorgestellt hatte. Bilder folgen natürlich noch in meinem eigenen Faden.

Meine PAN-Variante PAWN hatte ich hier im Forum schon mal vorgestellt.
Idee ist, daß es keine absolute Nähe braucht, wenn der Zug eh nur durch die Landschaft fährt. Und daß zwei Strecken durch die selbe Szenerie geführt werden ist in Anbetracht meines Vorbildes absolutes Ident-Element.

Ich hätte das hier mal eher aktuell halten sollen, also danke Otto, daß du den Faden hier nochmal ins Gedächtnis bringst!

Gruß Alex


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!